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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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Viele der hier angegebenen Züge findet
man auch in den höhern Ständen wieder. Im
Ganzen hat ihr Aeußeres nicht die Abgeschlif-
fenheit solcher Personen, die man im gemei-
nen Leben einen feinen Mann, eine feine
Frau nennt, und ihre Sprache, wenn sie
deutsch reden, ist nur sehr wenig von der
Sprache jenes Mittelstandes verschieden; da-
gegen ist eine große Gabe von Aufrichtigkeit
und Wahrhaftigkeit noch bei ihnen unver-
kennbar und nicht leicht pflegen sie jemand,
der etwas bei ihnen zu suchen hat, mit schö-
nen Worten hinzuhalten, wenn sie nicht Wil-
lens sind, oder wenn es ihnen unmöglich wird,
etwas für ihn zu thun. Im Ganzen ist, mit
einem Worte, der bayerische Adel mehr deutsch,
als man ihn in irgend einer andern deutschen
Provinz findet. Am liebsten möchte ich dies
von dem ursprünglich bayerischen hohen Adel
verstanden wissen, der höchst ehrenwerthe Mit-
glieder hat, und den der Adel italienischer,
niederländischer und französischer Abkunft, wo-

Viele der hier angegebenen Zuͤge findet
man auch in den hoͤhern Staͤnden wieder. Im
Ganzen hat ihr Aeußeres nicht die Abgeſchlif-
fenheit ſolcher Perſonen, die man im gemei-
nen Leben einen feinen Mann, eine feine
Frau nennt, und ihre Sprache, wenn ſie
deutſch reden, iſt nur ſehr wenig von der
Sprache jenes Mittelſtandes verſchieden; da-
gegen iſt eine große Gabe von Aufrichtigkeit
und Wahrhaftigkeit noch bei ihnen unver-
kennbar und nicht leicht pflegen ſie jemand,
der etwas bei ihnen zu ſuchen hat, mit ſchoͤ-
nen Worten hinzuhalten, wenn ſie nicht Wil-
lens ſind, oder wenn es ihnen unmoͤglich wird,
etwas fuͤr ihn zu thun. Im Ganzen iſt, mit
einem Worte, der bayeriſche Adel mehr deutſch,
als man ihn in irgend einer andern deutſchen
Provinz findet. Am liebſten moͤchte ich dies
von dem urſpruͤnglich bayeriſchen hohen Adel
verſtanden wiſſen, der hoͤchſt ehrenwerthe Mit-
glieder hat, und den der Adel italieniſcher,
niederlaͤndiſcher und franzoͤſiſcher Abkunft, wo-

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[247/0255] Viele der hier angegebenen Zuͤge findet man auch in den hoͤhern Staͤnden wieder. Im Ganzen hat ihr Aeußeres nicht die Abgeſchlif- fenheit ſolcher Perſonen, die man im gemei- nen Leben einen feinen Mann, eine feine Frau nennt, und ihre Sprache, wenn ſie deutſch reden, iſt nur ſehr wenig von der Sprache jenes Mittelſtandes verſchieden; da- gegen iſt eine große Gabe von Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit noch bei ihnen unver- kennbar und nicht leicht pflegen ſie jemand, der etwas bei ihnen zu ſuchen hat, mit ſchoͤ- nen Worten hinzuhalten, wenn ſie nicht Wil- lens ſind, oder wenn es ihnen unmoͤglich wird, etwas fuͤr ihn zu thun. Im Ganzen iſt, mit einem Worte, der bayeriſche Adel mehr deutſch, als man ihn in irgend einer andern deutſchen Provinz findet. Am liebſten moͤchte ich dies von dem urſpruͤnglich bayeriſchen hohen Adel verſtanden wiſſen, der hoͤchſt ehrenwerthe Mit- glieder hat, und den der Adel italieniſcher, niederlaͤndiſcher und franzoͤſiſcher Abkunft, wo-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/255>, abgerufen am 25.11.2024.