patrizischen Familien umgehen; aber letztre sind so billig nicht, und man kann, wenn man von ungefähr mit einer bürgerlichen Ge- sellschaft an einen Ort kömmt, wo man auch patrizische Bekannte findet, sicher darauf rech- nen, daß letztre merklich fremd und zurückhal- tend seyn werden, bloß um sich nicht zugleich durch ein freundlicheres Betragen der bürger- lichen Gesellschaft zu nähern, in welcher man gekommen ist. Kein Bürgerlicher wagt es so leicht, eine Patrizierin zum Tanz aufzuziehen, aber es ist oft der Fall, daß ein Patrizier ei- ner hübschen Bürgerin die Hand bietet, was diese denn auch für eine so große Ehre hält, als ihr Tänzer ihr dadurch zu erweisen glaubt.
Der Künstler und Handwerker vergnügt sich ebenfalls unter sich. Er hat seine Gärten und seine öffentlichen Häuser, die er besucht, wo er trinkt, kegelt, in der Karte spielt und sich nach seiner Weise vergnügt. Er hält sich gewisse Kassen, worin er Spiel- Wett- und Strafgelder sammelt, die, wenn eine Summe
patriziſchen Familien umgehen; aber letztre ſind ſo billig nicht, und man kann, wenn man von ungefaͤhr mit einer buͤrgerlichen Ge- ſellſchaft an einen Ort koͤmmt, wo man auch patriziſche Bekannte findet, ſicher darauf rech- nen, daß letztre merklich fremd und zuruͤckhal- tend ſeyn werden, bloß um ſich nicht zugleich durch ein freundlicheres Betragen der buͤrger- lichen Geſellſchaft zu naͤhern, in welcher man gekommen iſt. Kein Buͤrgerlicher wagt es ſo leicht, eine Patrizierin zum Tanz aufzuziehen, aber es iſt oft der Fall, daß ein Patrizier ei- ner huͤbſchen Buͤrgerin die Hand bietet, was dieſe denn auch fuͤr eine ſo große Ehre haͤlt, als ihr Taͤnzer ihr dadurch zu erweiſen glaubt.
Der Kuͤnſtler und Handwerker vergnuͤgt ſich ebenfalls unter ſich. Er hat ſeine Gaͤrten und ſeine oͤffentlichen Haͤuſer, die er beſucht, wo er trinkt, kegelt, in der Karte ſpielt und ſich nach ſeiner Weiſe vergnuͤgt. Er haͤlt ſich gewiſſe Kaſſen, worin er Spiel- Wett- und Strafgelder ſammelt, die, wenn eine Summe
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patriziſchen Familien umgehen; aber letztre
ſind ſo billig nicht, und man kann, wenn
man von ungefaͤhr mit einer buͤrgerlichen Ge-
ſellſchaft an einen Ort koͤmmt, wo man auch
patriziſche Bekannte findet, ſicher darauf rech-
nen, daß letztre merklich fremd und zuruͤckhal-
tend ſeyn werden, bloß um ſich nicht zugleich
durch ein freundlicheres Betragen der buͤrger-
lichen Geſellſchaft zu naͤhern, in welcher man
gekommen iſt. Kein Buͤrgerlicher wagt es ſo
leicht, eine Patrizierin zum Tanz aufzuziehen,
aber es iſt oft der Fall, daß ein Patrizier ei-
ner huͤbſchen Buͤrgerin die Hand bietet, was
dieſe denn auch fuͤr eine ſo große Ehre haͤlt,
als ihr Taͤnzer ihr dadurch zu erweiſen glaubt.
Der Kuͤnſtler und Handwerker vergnuͤgt
ſich ebenfalls unter ſich. Er hat ſeine Gaͤrten
und ſeine oͤffentlichen Haͤuſer, die er beſucht,
wo er trinkt, kegelt, in der Karte ſpielt und
ſich nach ſeiner Weiſe vergnuͤgt. Er haͤlt ſich
gewiſſe Kaſſen, worin er Spiel- Wett- und
Strafgelder ſammelt, die, wenn eine Summe
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/179>, abgerufen am 24.11.2024.
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