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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

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ten. Bekanntlich herrscht bey den Katholiken
die Gewohnheit, denjenigen für einen echten
und thätigen Christen zu halten, der solche
Gebräuche und Gebete fleißig und ruhig wie-
derholt, denjenigen hingegen, der gern etwas
dabey denken möchte, der Zweifel hat, der
Auskunft wünscht, vor dem Teufel zu warnen
und ihn am Ende, wenn er in diesem Unglau-
ben, wie sie es nennen, beharret, zu verdam-
men. Diese für den Verstand so harte Maß-
regel, lassen sich die Bauern in Polen, die
gemeinen Bürger, die niedrigern Edelleute, die
nicht in die große Welt kommen, gefallen, und
unter diesen Klassen herrscht, in Absicht der
Religion, noch die allertiefste Unwissenheit;
aber nicht so unter den höhern Klassen, die,
sobald sie ihre französischen Philosophen zu le-
sen und zu verstehen anfangen, in Sprüngen
zu den Socinianern und Atheisten übergehen.
Der lächelnde Vortrag jener Schriftsteller gefällt
ihnen besser, als die ernsthaften, weder Geist
noch Herz beschäftigenden, zum Auswendig-

ten. Bekanntlich herrſcht bey den Katholiken
die Gewohnheit, denjenigen fuͤr einen echten
und thaͤtigen Chriſten zu halten, der ſolche
Gebraͤuche und Gebete fleißig und ruhig wie-
derholt, denjenigen hingegen, der gern etwas
dabey denken moͤchte, der Zweifel hat, der
Auskunft wuͤnſcht, vor dem Teufel zu warnen
und ihn am Ende, wenn er in dieſem Unglau-
ben, wie ſie es nennen, beharret, zu verdam-
men. Dieſe fuͤr den Verſtand ſo harte Maß-
regel, laſſen ſich die Bauern in Polen, die
gemeinen Buͤrger, die niedrigern Edelleute, die
nicht in die große Welt kommen, gefallen, und
unter dieſen Klaſſen herrſcht, in Abſicht der
Religion, noch die allertiefſte Unwiſſenheit;
aber nicht ſo unter den hoͤhern Klaſſen, die,
ſobald ſie ihre franzoͤſiſchen Philoſophen zu le-
ſen und zu verſtehen anfangen, in Spruͤngen
zu den Socinianern und Atheiſten uͤbergehen.
Der laͤchelnde Vortrag jener Schriftſteller gefaͤllt
ihnen beſſer, als die ernſthaften, weder Geiſt
noch Herz beſchaͤftigenden, zum Auswendig-

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[78/0088] ten. Bekanntlich herrſcht bey den Katholiken die Gewohnheit, denjenigen fuͤr einen echten und thaͤtigen Chriſten zu halten, der ſolche Gebraͤuche und Gebete fleißig und ruhig wie- derholt, denjenigen hingegen, der gern etwas dabey denken moͤchte, der Zweifel hat, der Auskunft wuͤnſcht, vor dem Teufel zu warnen und ihn am Ende, wenn er in dieſem Unglau- ben, wie ſie es nennen, beharret, zu verdam- men. Dieſe fuͤr den Verſtand ſo harte Maß- regel, laſſen ſich die Bauern in Polen, die gemeinen Buͤrger, die niedrigern Edelleute, die nicht in die große Welt kommen, gefallen, und unter dieſen Klaſſen herrſcht, in Abſicht der Religion, noch die allertiefſte Unwiſſenheit; aber nicht ſo unter den hoͤhern Klaſſen, die, ſobald ſie ihre franzoͤſiſchen Philoſophen zu le- ſen und zu verſtehen anfangen, in Spruͤngen zu den Socinianern und Atheiſten uͤbergehen. Der laͤchelnde Vortrag jener Schriftſteller gefaͤllt ihnen beſſer, als die ernſthaften, weder Geiſt noch Herz beſchaͤftigenden, zum Auswendig-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/88>, abgerufen am 25.11.2024.