lieblich, da eben, nach einem kleinen Spätre- regen, die Sonne noch einmal wieder aufblick- te. Der Weg von Rozniatowitz bis Lenk (2 M.) bleibt dem vorigen gleich, das heißt, er führt aus Wald in Wald, der bald finste- rer bald heller ist, und hie und da nur so eben eine Durchfahrt gestattet. Nicht anders ist der Postlauf von Lenk bis Widawa. (2 M.) Jch machte beyde zur Nachtzeit, um ihre Ein- förmigkeit zu verschlafen. Um Mitternacht kam ich zu Widawa an. Alles war in das tiefste Dunkel gehüllt. Kein Postmeister, kein Postknecht war zu hören und zu sehen, und der meinige hatte seine Pferde vor dem Wa- gen stehen lassen und war auch unsichtbar ge- worden. Jch rief und schrie, aber ein großer Kettenhund antwortete an ihrer Statt. End- lich fuhr eine Thür auf und ich sah Licht, das aber sogleich wieder verschwand. Jch rief von neuem, keine Antwort. Jndem ich mich tap- pend der Stelle näherte, wo ich das Licht ge- sehen hatte, ging die Thür wieder auf, und
lieblich, da eben, nach einem kleinen Spaͤtre- regen, die Sonne noch einmal wieder aufblick- te. Der Weg von Rozniatowitz bis Lenk (2 M.) bleibt dem vorigen gleich, das heißt, er fuͤhrt aus Wald in Wald, der bald finſte- rer bald heller iſt, und hie und da nur ſo eben eine Durchfahrt geſtattet. Nicht anders iſt der Poſtlauf von Lenk bis Widawa. (2 M.) Jch machte beyde zur Nachtzeit, um ihre Ein- foͤrmigkeit zu verſchlafen. Um Mitternacht kam ich zu Widawa an. Alles war in das tiefſte Dunkel gehuͤllt. Kein Poſtmeiſter, kein Poſtknecht war zu hoͤren und zu ſehen, und der meinige hatte ſeine Pferde vor dem Wa- gen ſtehen laſſen und war auch unſichtbar ge- worden. Jch rief und ſchrie, aber ein großer Kettenhund antwortete an ihrer Statt. End- lich fuhr eine Thuͤr auf und ich ſah Licht, das aber ſogleich wieder verſchwand. Jch rief von neuem, keine Antwort. Jndem ich mich tap- pend der Stelle naͤherte, wo ich das Licht ge- ſehen hatte, ging die Thuͤr wieder auf, und
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[204/0214]
lieblich, da eben, nach einem kleinen Spaͤtre-
regen, die Sonne noch einmal wieder aufblick-
te. Der Weg von Rozniatowitz bis Lenk
(2 M.) bleibt dem vorigen gleich, das heißt,
er fuͤhrt aus Wald in Wald, der bald finſte-
rer bald heller iſt, und hie und da nur ſo eben
eine Durchfahrt geſtattet. Nicht anders iſt der
Poſtlauf von Lenk bis Widawa. (2 M.)
Jch machte beyde zur Nachtzeit, um ihre Ein-
foͤrmigkeit zu verſchlafen. Um Mitternacht
kam ich zu Widawa an. Alles war in das
tiefſte Dunkel gehuͤllt. Kein Poſtmeiſter, kein
Poſtknecht war zu hoͤren und zu ſehen, und
der meinige hatte ſeine Pferde vor dem Wa-
gen ſtehen laſſen und war auch unſichtbar ge-
worden. Jch rief und ſchrie, aber ein großer
Kettenhund antwortete an ihrer Statt. End-
lich fuhr eine Thuͤr auf und ich ſah Licht, das
aber ſogleich wieder verſchwand. Jch rief von
neuem, keine Antwort. Jndem ich mich tap-
pend der Stelle naͤherte, wo ich das Licht ge-
ſehen hatte, ging die Thuͤr wieder auf, und
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/214>, abgerufen am 22.07.2024.
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