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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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dige Familie Bedenken dabey, eine Wohnung
zu beziehen, aus der so eben ein liederliches
Mädchen weggezogen ist, oder sich an einen
Tisch zu setzen, welchen verdächtige Personen
schon zum Theil eingenommen haben. Der
Leichtsinn ist in diesem Punkt hier allgemein,
und wenn man noch einige Feinheit des Ge-
fühls in dieser Hinsicht findet, so ist es unter
den Einwohnern deutscher Zunge, die, trotz
den bösen Beyspielen, eine gewisse Verschämt-
heit und Bedenklichkeit in Dingen dieser Art,
die ihrem Volke vor vielen andern eigen ist,
noch nicht abgelegt haben.

Die Mädchen dieser zweyten Klasse, die
eine gewisse Wahl unter ihren Kunden tref-
fen, sind in ihrer Haushaltung ungefähr so
eingerichtet, wie die Spieler, die heute Ueber-
fluß, morgen nur genug, und übermorgen nicht
satt haben. Jhre Gunstbezeugungen sind zu
einem gewissen Preis angeschlagen, der nach
ihrer kostbarern oder ärmern Einrichtung ab-
gemessen ist, der sich durch Ueberlieferung ziem-

Drittes Heft. E

dige Familie Bedenken dabey, eine Wohnung
zu beziehen, aus der ſo eben ein liederliches
Maͤdchen weggezogen iſt, oder ſich an einen
Tiſch zu ſetzen, welchen verdaͤchtige Perſonen
ſchon zum Theil eingenommen haben. Der
Leichtſinn iſt in dieſem Punkt hier allgemein,
und wenn man noch einige Feinheit des Ge-
fuͤhls in dieſer Hinſicht findet, ſo iſt es unter
den Einwohnern deutſcher Zunge, die, trotz
den boͤſen Beyſpielen, eine gewiſſe Verſchaͤmt-
heit und Bedenklichkeit in Dingen dieſer Art,
die ihrem Volke vor vielen andern eigen iſt,
noch nicht abgelegt haben.

Die Maͤdchen dieſer zweyten Klaſſe, die
eine gewiſſe Wahl unter ihren Kunden tref-
fen, ſind in ihrer Haushaltung ungefaͤhr ſo
eingerichtet, wie die Spieler, die heute Ueber-
fluß, morgen nur genug, und uͤbermorgen nicht
ſatt haben. Jhre Gunſtbezeugungen ſind zu
einem gewiſſen Preis angeſchlagen, der nach
ihrer koſtbarern oder aͤrmern Einrichtung ab-
gemeſſen iſt, der ſich durch Ueberlieferung ziem-

Drittes Heft. E
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[65/0075] dige Familie Bedenken dabey, eine Wohnung zu beziehen, aus der ſo eben ein liederliches Maͤdchen weggezogen iſt, oder ſich an einen Tiſch zu ſetzen, welchen verdaͤchtige Perſonen ſchon zum Theil eingenommen haben. Der Leichtſinn iſt in dieſem Punkt hier allgemein, und wenn man noch einige Feinheit des Ge- fuͤhls in dieſer Hinſicht findet, ſo iſt es unter den Einwohnern deutſcher Zunge, die, trotz den boͤſen Beyſpielen, eine gewiſſe Verſchaͤmt- heit und Bedenklichkeit in Dingen dieſer Art, die ihrem Volke vor vielen andern eigen iſt, noch nicht abgelegt haben. Die Maͤdchen dieſer zweyten Klaſſe, die eine gewiſſe Wahl unter ihren Kunden tref- fen, ſind in ihrer Haushaltung ungefaͤhr ſo eingerichtet, wie die Spieler, die heute Ueber- fluß, morgen nur genug, und uͤbermorgen nicht ſatt haben. Jhre Gunſtbezeugungen ſind zu einem gewiſſen Preis angeſchlagen, der nach ihrer koſtbarern oder aͤrmern Einrichtung ab- gemeſſen iſt, der ſich durch Ueberlieferung ziem- Drittes Heft. E

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/75>, abgerufen am 24.11.2024.