zahl und ihren Bedarf, und begleiten sie nach Hause, oder nehmen sie mit in ihre eigene Wohnungen. Diese Menschen erlauben sich noch, solche Kreaturen auf das schändlichste zu mißhandeln, was sonst in großen Städten, wo die zügelloseste Jugend ist, nicht mehr ge- schieht, weil die Polizey ein wachsames Auge darauf hat. Aber hier, wo fast keine ist, hat der Muthwille leichtes Spiel, besonders wenn die Unholden von Familie sind.
So ward im Winter 1792 eines Morgens ein hübsches Mädchen von ungefähr vierzehn Jahren, am Eingange des sächsischen Palla- stes, halbtodt gefunden. Jhr Haar und ihre Kleider waren in der größesten Unordnung; sie hatte mehrere Beulen am Kopfe und blaue Flecke an ihrem Körper. Man brachte sie in ein benachbartes Haus, rieb und bähete sie, und sie kam wieder zu sich. Jetzt erfuhr man, daß sie einem jungen Edelmanne von der Re- doute nach seiner Wohnung gefolgt sey, weil er sie auf das dringendste dazu aufgefordert.
zahl und ihren Bedarf, und begleiten ſie nach Hauſe, oder nehmen ſie mit in ihre eigene Wohnungen. Dieſe Menſchen erlauben ſich noch, ſolche Kreaturen auf das ſchaͤndlichſte zu mißhandeln, was ſonſt in großen Staͤdten, wo die zuͤgelloſeſte Jugend iſt, nicht mehr ge- ſchieht, weil die Polizey ein wachſames Auge darauf hat. Aber hier, wo faſt keine iſt, hat der Muthwille leichtes Spiel, beſonders wenn die Unholden von Familie ſind.
So ward im Winter 1792 eines Morgens ein huͤbſches Maͤdchen von ungefaͤhr vierzehn Jahren, am Eingange des ſaͤchſiſchen Palla- ſtes, halbtodt gefunden. Jhr Haar und ihre Kleider waren in der groͤßeſten Unordnung; ſie hatte mehrere Beulen am Kopfe und blaue Flecke an ihrem Koͤrper. Man brachte ſie in ein benachbartes Haus, rieb und baͤhete ſie, und ſie kam wieder zu ſich. Jetzt erfuhr man, daß ſie einem jungen Edelmanne von der Re- doute nach ſeiner Wohnung gefolgt ſey, weil er ſie auf das dringendſte dazu aufgefordert.
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[45/0055]
zahl und ihren Bedarf, und begleiten ſie nach
Hauſe, oder nehmen ſie mit in ihre eigene
Wohnungen. Dieſe Menſchen erlauben ſich
noch, ſolche Kreaturen auf das ſchaͤndlichſte
zu mißhandeln, was ſonſt in großen Staͤdten,
wo die zuͤgelloſeſte Jugend iſt, nicht mehr ge-
ſchieht, weil die Polizey ein wachſames Auge
darauf hat. Aber hier, wo faſt keine iſt, hat
der Muthwille leichtes Spiel, beſonders wenn
die Unholden von Familie ſind.
So ward im Winter 1792 eines Morgens
ein huͤbſches Maͤdchen von ungefaͤhr vierzehn
Jahren, am Eingange des ſaͤchſiſchen Palla-
ſtes, halbtodt gefunden. Jhr Haar und ihre
Kleider waren in der groͤßeſten Unordnung;
ſie hatte mehrere Beulen am Kopfe und blaue
Flecke an ihrem Koͤrper. Man brachte ſie in
ein benachbartes Haus, rieb und baͤhete ſie,
und ſie kam wieder zu ſich. Jetzt erfuhr man,
daß ſie einem jungen Edelmanne von der Re-
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/55>, abgerufen am 16.02.2025.
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