Koch angenommen und esse zu Hause. Seine Freunde und auch seine bezeichneten Freundin- nen äßen fast täglich bey ihm.
Endlich sah ich ihn eines Morgens wieder. Die Fenster seiner Wohnung waren durch Ja- lousien dicht versperrt, bis auf eines. An die- sem stand er im Schlafrocke, den Hals dick umwunden, todtenblaß. Ein bekannter ge- schickter französischer Wundarzt stand bey ihm. Auf eine Frage von mir, versicherten seine Freunde, daß er sehr krank sey, und gaben auch deutlicher, als es bey Tische anständig war, zu verstehen, woran. Einer ließ uns durch ein freches Wortspiel errathen, daß er zugleich Mangel an Gelde habe.
Ein paar Tage nachher ging ich abermals vor der Wohnung des jungen Mannes vor- bey. Jch konnte mich nicht mehr erwehren, einen Blick auf seine Fenster zu werfen. Sie waren abermals versperrt, bis auf eines. An diesem lag er, den Kopf auf beyde Hände ge- stemmt und starr vor sich hinsehend. Sein
Drittes Heft. B
Koch angenommen und eſſe zu Hauſe. Seine Freunde und auch ſeine bezeichneten Freundin- nen aͤßen faſt taͤglich bey ihm.
Endlich ſah ich ihn eines Morgens wieder. Die Fenſter ſeiner Wohnung waren durch Ja- louſien dicht verſperrt, bis auf eines. An die- ſem ſtand er im Schlafrocke, den Hals dick umwunden, todtenblaß. Ein bekannter ge- ſchickter franzoͤſiſcher Wundarzt ſtand bey ihm. Auf eine Frage von mir, verſicherten ſeine Freunde, daß er ſehr krank ſey, und gaben auch deutlicher, als es bey Tiſche anſtaͤndig war, zu verſtehen, woran. Einer ließ uns durch ein freches Wortſpiel errathen, daß er zugleich Mangel an Gelde habe.
Ein paar Tage nachher ging ich abermals vor der Wohnung des jungen Mannes vor- bey. Jch konnte mich nicht mehr erwehren, einen Blick auf ſeine Fenſter zu werfen. Sie waren abermals verſperrt, bis auf eines. An dieſem lag er, den Kopf auf beyde Haͤnde ge- ſtemmt und ſtarr vor ſich hinſehend. Sein
Drittes Heft. B
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[17/0027]
Koch angenommen und eſſe zu Hauſe. Seine
Freunde und auch ſeine bezeichneten Freundin-
nen aͤßen faſt taͤglich bey ihm.
Endlich ſah ich ihn eines Morgens wieder.
Die Fenſter ſeiner Wohnung waren durch Ja-
louſien dicht verſperrt, bis auf eines. An die-
ſem ſtand er im Schlafrocke, den Hals dick
umwunden, todtenblaß. Ein bekannter ge-
ſchickter franzoͤſiſcher Wundarzt ſtand bey ihm.
Auf eine Frage von mir, verſicherten ſeine
Freunde, daß er ſehr krank ſey, und gaben
auch deutlicher, als es bey Tiſche anſtaͤndig
war, zu verſtehen, woran. Einer ließ uns
durch ein freches Wortſpiel errathen, daß er
zugleich Mangel an Gelde habe.
Ein paar Tage nachher ging ich abermals
vor der Wohnung des jungen Mannes vor-
bey. Jch konnte mich nicht mehr erwehren,
einen Blick auf ſeine Fenſter zu werfen. Sie
waren abermals verſperrt, bis auf eines. An
dieſem lag er, den Kopf auf beyde Haͤnde ge-
ſtemmt und ſtarr vor ſich hinſehend. Sein
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/27>, abgerufen am 22.07.2024.
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