Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Füßen," verneigen sich sehr tief dabey, und,
indem einer nach dem Knie des andern zu fas-
sen sucht, bestreben sich beyde, immer noch
unnatürlich gebückt gegen einander stehend,
dieses Zeichen von Unterwürfigkeit zugleich ab-
zulehnen und zu geben, und sich dabey in den
süßesten und demüthigsten Worten zu übertref-
fen, bis sich endlich dieser wunderliche Zwey-
kampf damit endigt, daß sie einander, immer
noch ringend, die Brust oder den Arm küssen.
Der weltliche Große fährt dem geistlichen nach
der rechten Hand, um ehrfurchtsvoll seine
Lippen darauf zu drücken, und der geistliche
strengt sich scheinbar an, sie ihm zu entziehen;
jener aber hält sie mit aller Gewalt fest, küßt
sie und der Bischof küßt ihm den Backen oder
die Stirn, oder wo er sonst zukommen kann.

Geringere Edelleute langen den vornehmern
nach den Füßen, nach dem Rockschoße, nach
der Hand, immer mit der Bewegung sie küssen
zu wollen, und jener hält sie immer mit der
Miene und dem Anstande des Gönners davon

Fuͤßen,“ verneigen ſich ſehr tief dabey, und,
indem einer nach dem Knie des andern zu faſ-
ſen ſucht, beſtreben ſich beyde, immer noch
unnatuͤrlich gebuͤckt gegen einander ſtehend,
dieſes Zeichen von Unterwuͤrfigkeit zugleich ab-
zulehnen und zu geben, und ſich dabey in den
ſuͤßeſten und demuͤthigſten Worten zu uͤbertref-
fen, bis ſich endlich dieſer wunderliche Zwey-
kampf damit endigt, daß ſie einander, immer
noch ringend, die Bruſt oder den Arm kuͤſſen.
Der weltliche Große faͤhrt dem geiſtlichen nach
der rechten Hand, um ehrfurchtsvoll ſeine
Lippen darauf zu druͤcken, und der geiſtliche
ſtrengt ſich ſcheinbar an, ſie ihm zu entziehen;
jener aber haͤlt ſie mit aller Gewalt feſt, kuͤßt
ſie und der Biſchof kuͤßt ihm den Backen oder
die Stirn, oder wo er ſonſt zukommen kann.

Geringere Edelleute langen den vornehmern
nach den Fuͤßen, nach dem Rockſchoße, nach
der Hand, immer mit der Bewegung ſie kuͤſſen
zu wollen, und jener haͤlt ſie immer mit der
Miene und dem Anſtande des Goͤnners davon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0227" n="217"/>
Fu&#x0364;ßen</hi>,&#x201C; verneigen &#x017F;ich &#x017F;ehr tief dabey, und,<lb/>
indem einer nach dem Knie des andern zu fa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ucht, be&#x017F;treben &#x017F;ich beyde, immer noch<lb/>
unnatu&#x0364;rlich gebu&#x0364;ckt gegen einander &#x017F;tehend,<lb/>
die&#x017F;es Zeichen von Unterwu&#x0364;rfigkeit zugleich ab-<lb/>
zulehnen und zu geben, und &#x017F;ich dabey in den<lb/>
&#x017F;u&#x0364;ße&#x017F;ten und demu&#x0364;thig&#x017F;ten Worten zu u&#x0364;bertref-<lb/>
fen, bis &#x017F;ich endlich die&#x017F;er wunderliche Zwey-<lb/>
kampf damit endigt, daß &#x017F;ie einander, immer<lb/>
noch ringend, die Bru&#x017F;t oder den Arm ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Der weltliche Große fa&#x0364;hrt dem gei&#x017F;tlichen nach<lb/>
der rechten Hand, um ehrfurchtsvoll &#x017F;eine<lb/>
Lippen darauf zu dru&#x0364;cken, und der gei&#x017F;tliche<lb/>
&#x017F;trengt &#x017F;ich &#x017F;cheinbar an, &#x017F;ie ihm zu entziehen;<lb/>
jener aber ha&#x0364;lt &#x017F;ie mit aller Gewalt fe&#x017F;t, ku&#x0364;ßt<lb/>
&#x017F;ie und der Bi&#x017F;chof ku&#x0364;ßt ihm den Backen oder<lb/>
die Stirn, oder wo er &#x017F;on&#x017F;t zukommen kann.</p><lb/>
        <p>Geringere Edelleute langen den vornehmern<lb/>
nach den Fu&#x0364;ßen, nach dem Rock&#x017F;choße, nach<lb/>
der Hand, immer mit der Bewegung &#x017F;ie ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zu wollen, und jener ha&#x0364;lt &#x017F;ie immer mit der<lb/>
Miene und dem An&#x017F;tande des Go&#x0364;nners davon<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0227] Fuͤßen,“ verneigen ſich ſehr tief dabey, und, indem einer nach dem Knie des andern zu faſ- ſen ſucht, beſtreben ſich beyde, immer noch unnatuͤrlich gebuͤckt gegen einander ſtehend, dieſes Zeichen von Unterwuͤrfigkeit zugleich ab- zulehnen und zu geben, und ſich dabey in den ſuͤßeſten und demuͤthigſten Worten zu uͤbertref- fen, bis ſich endlich dieſer wunderliche Zwey- kampf damit endigt, daß ſie einander, immer noch ringend, die Bruſt oder den Arm kuͤſſen. Der weltliche Große faͤhrt dem geiſtlichen nach der rechten Hand, um ehrfurchtsvoll ſeine Lippen darauf zu druͤcken, und der geiſtliche ſtrengt ſich ſcheinbar an, ſie ihm zu entziehen; jener aber haͤlt ſie mit aller Gewalt feſt, kuͤßt ſie und der Biſchof kuͤßt ihm den Backen oder die Stirn, oder wo er ſonſt zukommen kann. Geringere Edelleute langen den vornehmern nach den Fuͤßen, nach dem Rockſchoße, nach der Hand, immer mit der Bewegung ſie kuͤſſen zu wollen, und jener haͤlt ſie immer mit der Miene und dem Anſtande des Goͤnners davon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/227
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/227>, abgerufen am 27.11.2024.