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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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sehen, Freudenthränen erpreßt. Es ist wahr,
man kann nichts anmuthigeres sehen, als die-
sen jungen, reizenden Anflug, der, oft funfzig
bis sechzig Köpfe stark, mit aller Grazie der
Jugend ausgestattet, in dem mannigfachsten
Wechsel aller Gattungen von Schönheit, in
der Gesichtsbildung wie im Körperbau, bunt
vor dem Auge wimmelt und es, die ersten
Minuten, gleichsam irre macht und blendet.

Der Ungestüm, mit welchem diese Kinder
auf die Wiederholung solcher Bälle zu drin-
gen, die Ungeduld, mit der sie dieselben, wenn
sie gegeben werden sollen, zu erwarten pfle-
gen, zeigen genugsam, was für einen mächti-
gen Eindruck diese Lustbarkeit auf sie macht,
und wie ähnliche auf sie wirken werden, wenn
sie, bey reiferer Natur, bey stärkern und an-
ziehendern Gefühlen, sich dem Genusse dersel-
ben hingeben können.

Zuweilen lassen minder begüterte Familien
ihre Töchter in Klöstern erziehen; aber die rei-
chern äußerst selten und nur etwan in dem

ſehen, Freudenthraͤnen erpreßt. Es iſt wahr,
man kann nichts anmuthigeres ſehen, als die-
ſen jungen, reizenden Anflug, der, oft funfzig
bis ſechzig Koͤpfe ſtark, mit aller Grazie der
Jugend ausgeſtattet, in dem mannigfachſten
Wechſel aller Gattungen von Schoͤnheit, in
der Geſichtsbildung wie im Koͤrperbau, bunt
vor dem Auge wimmelt und es, die erſten
Minuten, gleichſam irre macht und blendet.

Der Ungeſtuͤm, mit welchem dieſe Kinder
auf die Wiederholung ſolcher Baͤlle zu drin-
gen, die Ungeduld, mit der ſie dieſelben, wenn
ſie gegeben werden ſollen, zu erwarten pfle-
gen, zeigen genugſam, was fuͤr einen maͤchti-
gen Eindruck dieſe Luſtbarkeit auf ſie macht,
und wie aͤhnliche auf ſie wirken werden, wenn
ſie, bey reiferer Natur, bey ſtaͤrkern und an-
ziehendern Gefuͤhlen, ſich dem Genuſſe derſel-
ben hingeben koͤnnen.

Zuweilen laſſen minder beguͤterte Familien
ihre Toͤchter in Kloͤſtern erziehen; aber die rei-
chern aͤußerſt ſelten und nur etwan in dem

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[214/0224] ſehen, Freudenthraͤnen erpreßt. Es iſt wahr, man kann nichts anmuthigeres ſehen, als die- ſen jungen, reizenden Anflug, der, oft funfzig bis ſechzig Koͤpfe ſtark, mit aller Grazie der Jugend ausgeſtattet, in dem mannigfachſten Wechſel aller Gattungen von Schoͤnheit, in der Geſichtsbildung wie im Koͤrperbau, bunt vor dem Auge wimmelt und es, die erſten Minuten, gleichſam irre macht und blendet. Der Ungeſtuͤm, mit welchem dieſe Kinder auf die Wiederholung ſolcher Baͤlle zu drin- gen, die Ungeduld, mit der ſie dieſelben, wenn ſie gegeben werden ſollen, zu erwarten pfle- gen, zeigen genugſam, was fuͤr einen maͤchti- gen Eindruck dieſe Luſtbarkeit auf ſie macht, und wie aͤhnliche auf ſie wirken werden, wenn ſie, bey reiferer Natur, bey ſtaͤrkern und an- ziehendern Gefuͤhlen, ſich dem Genuſſe derſel- ben hingeben koͤnnen. Zuweilen laſſen minder beguͤterte Familien ihre Toͤchter in Kloͤſtern erziehen; aber die rei- chern aͤußerſt ſelten und nur etwan in dem

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/224>, abgerufen am 26.11.2024.