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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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so lernen diese spielend jene Sprache, und be-
kommen zugleich mit derselben manche Begriffe
und Manieren, die ihnen auch im Aeußern
eine gewisse Bildung, und, mit der ihnen zu-
gestandenen Freyheit verbunden, eine gewisse
Leichtigkeit geben, welche bewirken, daß ein
polnisches Kind in Gesellschaften weit weniger
Kind ist, als ein deutsches, daß es aber auch,
wenn es zum Jüngling übergeht, noch weit
mehr Unbesonnenheit, Wildheit und Muth-
willen besitzt, als ein deutscher Jüngling, der
gegen einen polnischen als ein wahrer Pedant
erscheint. Sogenannte kluge Kinder, wie
man in Deutschland, durch einen Mißbrauch,
die gelehrten Kinder nennt, sind in Polen
unerhört; aber destomehr feine, liebens-
würdige, witzige
findet man hier. Die
Hofmeister lehren sie sonach alles gesprächs-
weise; sie fahren, reiten, rennen und springen
mit ihnen; sind bey ihren körperlichen Uebun-
gen, beym Tanzen und Fechten, zugegen, und
schieben dabey ein, was sich zu ihrer geistigen

Drittes Heft. O

ſo lernen dieſe ſpielend jene Sprache, und be-
kommen zugleich mit derſelben manche Begriffe
und Manieren, die ihnen auch im Aeußern
eine gewiſſe Bildung, und, mit der ihnen zu-
geſtandenen Freyheit verbunden, eine gewiſſe
Leichtigkeit geben, welche bewirken, daß ein
polniſches Kind in Geſellſchaften weit weniger
Kind iſt, als ein deutſches, daß es aber auch,
wenn es zum Juͤngling uͤbergeht, noch weit
mehr Unbeſonnenheit, Wildheit und Muth-
willen beſitzt, als ein deutſcher Juͤngling, der
gegen einen polniſchen als ein wahrer Pedant
erſcheint. Sogenannte kluge Kinder, wie
man in Deutſchland, durch einen Mißbrauch,
die gelehrten Kinder nennt, ſind in Polen
unerhoͤrt; aber deſtomehr feine, liebens-
wuͤrdige, witzige
findet man hier. Die
Hofmeiſter lehren ſie ſonach alles geſpraͤchs-
weiſe; ſie fahren, reiten, rennen und ſpringen
mit ihnen; ſind bey ihren koͤrperlichen Uebun-
gen, beym Tanzen und Fechten, zugegen, und
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[209/0219] ſo lernen dieſe ſpielend jene Sprache, und be- kommen zugleich mit derſelben manche Begriffe und Manieren, die ihnen auch im Aeußern eine gewiſſe Bildung, und, mit der ihnen zu- geſtandenen Freyheit verbunden, eine gewiſſe Leichtigkeit geben, welche bewirken, daß ein polniſches Kind in Geſellſchaften weit weniger Kind iſt, als ein deutſches, daß es aber auch, wenn es zum Juͤngling uͤbergeht, noch weit mehr Unbeſonnenheit, Wildheit und Muth- willen beſitzt, als ein deutſcher Juͤngling, der gegen einen polniſchen als ein wahrer Pedant erſcheint. Sogenannte kluge Kinder, wie man in Deutſchland, durch einen Mißbrauch, die gelehrten Kinder nennt, ſind in Polen unerhoͤrt; aber deſtomehr feine, liebens- wuͤrdige, witzige findet man hier. Die Hofmeiſter lehren ſie ſonach alles geſpraͤchs- weiſe; ſie fahren, reiten, rennen und ſpringen mit ihnen; ſind bey ihren koͤrperlichen Uebun- gen, beym Tanzen und Fechten, zugegen, und ſchieben dabey ein, was ſich zu ihrer geiſtigen Drittes Heft. O

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/219>, abgerufen am 26.11.2024.