Genuß, wo er ihn findet und überläßt dem andern, hierin für sich selbst zu sorgen.
Freundschaft ist hier entweder auf politi- schen Eigennutz, oder auf gesellschaftliche Be- dürfnisse gebauet. Eine reinere Art derselben findet hier nur unter Leuten Statt, die einan- der politisch weder schaden noch nützen können, deren wechselseitige Laufbahnen einander nicht berühren, und die deshalb keine Ursachen ha- ben, gegenseitig auf einander eifersüchtig zu seyn. Diese Gattung ist eben so feurig, eben so dauerhaft hier als anderwärts, wenn sie auch seltener seyn sollte. Es fehlt den Polen nicht an Gefühl, überhaupt nicht an schönen Eigenschaften des Herzens; aber die Verfas- sung und Lebensart untergraben und unter- drücken sie um die Wette, und öfterer, als es z. B. in einem Staate der Fall seyn kann, wo Gesetz und Monarch eine Menge von Ge- genständen, die hier ein allgemeines ehr- und eifersüchtiges Gedränge erregen, ein für alle- mal an sich genommen haben, und wo die Po-
Genuß, wo er ihn findet und uͤberlaͤßt dem andern, hierin fuͤr ſich ſelbſt zu ſorgen.
Freundſchaft iſt hier entweder auf politi- ſchen Eigennutz, oder auf geſellſchaftliche Be- duͤrfniſſe gebauet. Eine reinere Art derſelben findet hier nur unter Leuten Statt, die einan- der politiſch weder ſchaden noch nuͤtzen koͤnnen, deren wechſelſeitige Laufbahnen einander nicht beruͤhren, und die deshalb keine Urſachen ha- ben, gegenſeitig auf einander eiferſuͤchtig zu ſeyn. Dieſe Gattung iſt eben ſo feurig, eben ſo dauerhaft hier als anderwaͤrts, wenn ſie auch ſeltener ſeyn ſollte. Es fehlt den Polen nicht an Gefuͤhl, uͤberhaupt nicht an ſchoͤnen Eigenſchaften des Herzens; aber die Verfaſ- ſung und Lebensart untergraben und unter- druͤcken ſie um die Wette, und oͤfterer, als es z. B. in einem Staate der Fall ſeyn kann, wo Geſetz und Monarch eine Menge von Ge- genſtaͤnden, die hier ein allgemeines ehr- und eiferſuͤchtiges Gedraͤnge erregen, ein fuͤr alle- mal an ſich genommen haben, und wo die Po-
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Genuß, wo er ihn findet und uͤberlaͤßt dem
andern, hierin fuͤr ſich ſelbſt zu ſorgen.
Freundſchaft iſt hier entweder auf politi-
ſchen Eigennutz, oder auf geſellſchaftliche Be-
duͤrfniſſe gebauet. Eine reinere Art derſelben
findet hier nur unter Leuten Statt, die einan-
der politiſch weder ſchaden noch nuͤtzen koͤnnen,
deren wechſelſeitige Laufbahnen einander nicht
beruͤhren, und die deshalb keine Urſachen ha-
ben, gegenſeitig auf einander eiferſuͤchtig zu
ſeyn. Dieſe Gattung iſt eben ſo feurig, eben
ſo dauerhaft hier als anderwaͤrts, wenn ſie
auch ſeltener ſeyn ſollte. Es fehlt den Polen
nicht an Gefuͤhl, uͤberhaupt nicht an ſchoͤnen
Eigenſchaften des Herzens; aber die Verfaſ-
ſung und Lebensart untergraben und unter-
druͤcken ſie um die Wette, und oͤfterer, als es
z. B. in einem Staate der Fall ſeyn kann,
wo Geſetz und Monarch eine Menge von Ge-
genſtaͤnden, die hier ein allgemeines ehr- und
eiferſuͤchtiges Gedraͤnge erregen, ein fuͤr alle-
mal an ſich genommen haben, und wo die Po-
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/199>, abgerufen am 16.02.2025.
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