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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795.

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ben der Geschäfte sehr beschreibend ist. Viele,
die in andern Dingen auf Seiten der Mehr-
heit waren, traten in diesem Punkte von der-
selben ab, und zu der Gegenpartey über; und
deßhalb fühlte sich jene eine Zeit lang zu
schwach, als daß sie die dahin gehörige Kon-
stitution, die längst fertig war, dem Reichs-
tage zur Ueberlegung und Entscheidung hätte
vortragen können. Da jede Partey leicht über-
zählen kann, wie viel Stimmen sie für- und
wider sich hat: so fand die patriotische dieß-
mal, daß die gegenseitige ihr um funfzehn über-
legen sey. Anfangs unterhandelte, warb, über-
redete, versprach sie; aber nichts fruchtete.
Endlich gelangte sie durch folgende List zu ih-
rem Zwecke. Ein Großer, der sich noch nicht
öffentlich für oder gegen diese Operation erklärt
hatte, aber heimlich den Patrioten anhing,
lud eine große Gesellschaft zu einem Austern-
schmause nach Wola ein. Unter den Gebete-
nen waren über zwanzig Widersacher des Sta-
rosteyentwurfs. Die Tafel starrte von Speisen,

ben der Geſchaͤfte ſehr beſchreibend iſt. Viele,
die in andern Dingen auf Seiten der Mehr-
heit waren, traten in dieſem Punkte von der-
ſelben ab, und zu der Gegenpartey uͤber; und
deßhalb fuͤhlte ſich jene eine Zeit lang zu
ſchwach, als daß ſie die dahin gehoͤrige Kon-
ſtitution, die laͤngſt fertig war, dem Reichs-
tage zur Ueberlegung und Entſcheidung haͤtte
vortragen koͤnnen. Da jede Partey leicht uͤber-
zaͤhlen kann, wie viel Stimmen ſie fuͤr- und
wider ſich hat: ſo fand die patriotiſche dieß-
mal, daß die gegenſeitige ihr um funfzehn uͤber-
legen ſey. Anfangs unterhandelte, warb, uͤber-
redete, verſprach ſie; aber nichts fruchtete.
Endlich gelangte ſie durch folgende Liſt zu ih-
rem Zwecke. Ein Großer, der ſich noch nicht
oͤffentlich fuͤr oder gegen dieſe Operation erklaͤrt
hatte, aber heimlich den Patrioten anhing,
lud eine große Geſellſchaft zu einem Auſtern-
ſchmauſe nach Wola ein. Unter den Gebete-
nen waren uͤber zwanzig Widerſacher des Sta-
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[165/0175] ben der Geſchaͤfte ſehr beſchreibend iſt. Viele, die in andern Dingen auf Seiten der Mehr- heit waren, traten in dieſem Punkte von der- ſelben ab, und zu der Gegenpartey uͤber; und deßhalb fuͤhlte ſich jene eine Zeit lang zu ſchwach, als daß ſie die dahin gehoͤrige Kon- ſtitution, die laͤngſt fertig war, dem Reichs- tage zur Ueberlegung und Entſcheidung haͤtte vortragen koͤnnen. Da jede Partey leicht uͤber- zaͤhlen kann, wie viel Stimmen ſie fuͤr- und wider ſich hat: ſo fand die patriotiſche dieß- mal, daß die gegenſeitige ihr um funfzehn uͤber- legen ſey. Anfangs unterhandelte, warb, uͤber- redete, verſprach ſie; aber nichts fruchtete. Endlich gelangte ſie durch folgende Liſt zu ih- rem Zwecke. Ein Großer, der ſich noch nicht oͤffentlich fuͤr oder gegen dieſe Operation erklaͤrt hatte, aber heimlich den Patrioten anhing, lud eine große Geſellſchaft zu einem Auſtern- ſchmauſe nach Wola ein. Unter den Gebete- nen waren uͤber zwanzig Widerſacher des Sta- roſteyentwurfs. Die Tafel ſtarrte von Speiſen,

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, [H. 3]. Berlin, 1795, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0201_1795/175>, abgerufen am 25.11.2024.