laufendes vom Reichstage beschlossen werden könnte. Man nennt dies gefährliche Vorrecht die freie Stimme, das Widerspruchs- recht, das liberum veto.
Die Landboten sollen zwar im Namen ihrer Vollmachtsgeber rathen; aber sie han- deln doch oft nach eigenem Willen. Bald halten sie die Berathschlagungen auf, bald treiben sie dieselben, bald mischen sie, bei un- erwarteten Wendungen, fremde Dinge ein; bald sind die Boten Einer Woiwodschaft, Eines Bezirks unter einander selbst nicht einstimmig; bald wirkt auf den einen Privatinteresse, bald auf den andern Drohung oder Bestechung -- und so kann man mit Recht sagen, daß sie nicht nach ihren Aufträgen, sondern nach eige- nem Willen die Geschäfte betreiben.
Der Würden und Aemter, die ausschlies- send aus dem Ritterstande besetzt werden, sind weit mehr als derer, die der Senatoren- stand besetzt. Man kann sie füglich in drei Arten abtheilen, in solche, die von Kron-
laufendes vom Reichstage beſchloſſen werden koͤnnte. Man nennt dies gefaͤhrliche Vorrecht die freie Stimme, das Widerſpruchs- recht, das liberum veto.
Die Landboten ſollen zwar im Namen ihrer Vollmachtsgeber rathen; aber ſie han- deln doch oft nach eigenem Willen. Bald halten ſie die Berathſchlagungen auf, bald treiben ſie dieſelben, bald miſchen ſie, bei un- erwarteten Wendungen, fremde Dinge ein; bald ſind die Boten Einer Woiwodſchaft, Eines Bezirks unter einander ſelbſt nicht einſtimmig; bald wirkt auf den einen Privatintereſſe, bald auf den andern Drohung oder Beſtechung — und ſo kann man mit Recht ſagen, daß ſie nicht nach ihren Auftraͤgen, ſondern nach eige- nem Willen die Geſchaͤfte betreiben.
Der Wuͤrden und Aemter, die ausſchlieſ- ſend aus dem Ritterſtande beſetzt werden, ſind weit mehr als derer, die der Senatoren- ſtand beſetzt. Man kann ſie fuͤglich in drei Arten abtheilen, in ſolche, die von Kron-
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[68/0078]
laufendes vom Reichstage beſchloſſen werden
koͤnnte. Man nennt dies gefaͤhrliche Vorrecht
die freie Stimme, das Widerſpruchs-
recht, das liberum veto.
Die Landboten ſollen zwar im Namen
ihrer Vollmachtsgeber rathen; aber ſie han-
deln doch oft nach eigenem Willen. Bald
halten ſie die Berathſchlagungen auf, bald
treiben ſie dieſelben, bald miſchen ſie, bei un-
erwarteten Wendungen, fremde Dinge ein;
bald ſind die Boten Einer Woiwodſchaft, Eines
Bezirks unter einander ſelbſt nicht einſtimmig;
bald wirkt auf den einen Privatintereſſe, bald
auf den andern Drohung oder Beſtechung —
und ſo kann man mit Recht ſagen, daß ſie
nicht nach ihren Auftraͤgen, ſondern nach eige-
nem Willen die Geſchaͤfte betreiben.
Der Wuͤrden und Aemter, die ausſchlieſ-
ſend aus dem Ritterſtande beſetzt werden,
ſind weit mehr als derer, die der Senatoren-
ſtand beſetzt. Man kann ſie fuͤglich in drei
Arten abtheilen, in ſolche, die von Kron-
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/78>, abgerufen am 24.07.2024.
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