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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795.

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Die Macht des Ritterstandes ist so groß,
daß nur die einmüthige Zustimmung desselben
einen Beschluß gültig macht, und daß keiner
zu Stande kommt, wenn auch nur Ein Bote
widerspricht. Dies Vorrecht, das in der That
gegen alle Vernunft streitet, aber doch sehr
alt ist, hat man zwar im Jahre 1768 einge-
schränkt; aber gesetzlich aufgehoben ist es noch
immer nicht, seitdem die Konstitution von
1791, die es verbannte, wieder vernichtet wor-
den. Zwar darf es nur bei Staatsmaterien,
d. i. in Fällen, wo von Krieg und Frieden,
neuen Auflagen, neuen Gesetzen und Truppen-
vermehrungen die Rede ist, ausgeübt werden;
aber man sieht, daß dies gerade die wichtig-
sten Gegenstände sind, die zur öffentlichen Be-
rathschlagung kommen können. Rachsucht,
Eigennutz und Schadenfreude eines einzelnen
Staatsbürgers haben, wie die Gesandten aus-
wärtiger Mächte, an diesem Vorrechte ein
kräftiges Mittel, ihre Plane durchzusetzen und
alles zu verhindern, was denselben zuwider-

E 2

Die Macht des Ritterſtandes iſt ſo groß,
daß nur die einmuͤthige Zuſtimmung deſſelben
einen Beſchluß guͤltig macht, und daß keiner
zu Stande kommt, wenn auch nur Ein Bote
widerſpricht. Dies Vorrecht, das in der That
gegen alle Vernunft ſtreitet, aber doch ſehr
alt iſt, hat man zwar im Jahre 1768 einge-
ſchraͤnkt; aber geſetzlich aufgehoben iſt es noch
immer nicht, ſeitdem die Konſtitution von
1791, die es verbannte, wieder vernichtet wor-
den. Zwar darf es nur bei Staatsmaterien,
d. i. in Faͤllen, wo von Krieg und Frieden,
neuen Auflagen, neuen Geſetzen und Truppen-
vermehrungen die Rede iſt, ausgeuͤbt werden;
aber man ſieht, daß dies gerade die wichtig-
ſten Gegenſtaͤnde ſind, die zur oͤffentlichen Be-
rathſchlagung kommen koͤnnen. Rachſucht,
Eigennutz und Schadenfreude eines einzelnen
Staatsbuͤrgers haben, wie die Geſandten aus-
waͤrtiger Maͤchte, an dieſem Vorrechte ein
kraͤftiges Mittel, ihre Plane durchzuſetzen und
alles zu verhindern, was denſelben zuwider-

E 2
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[67/0077] Die Macht des Ritterſtandes iſt ſo groß, daß nur die einmuͤthige Zuſtimmung deſſelben einen Beſchluß guͤltig macht, und daß keiner zu Stande kommt, wenn auch nur Ein Bote widerſpricht. Dies Vorrecht, das in der That gegen alle Vernunft ſtreitet, aber doch ſehr alt iſt, hat man zwar im Jahre 1768 einge- ſchraͤnkt; aber geſetzlich aufgehoben iſt es noch immer nicht, ſeitdem die Konſtitution von 1791, die es verbannte, wieder vernichtet wor- den. Zwar darf es nur bei Staatsmaterien, d. i. in Faͤllen, wo von Krieg und Frieden, neuen Auflagen, neuen Geſetzen und Truppen- vermehrungen die Rede iſt, ausgeuͤbt werden; aber man ſieht, daß dies gerade die wichtig- ſten Gegenſtaͤnde ſind, die zur oͤffentlichen Be- rathſchlagung kommen koͤnnen. Rachſucht, Eigennutz und Schadenfreude eines einzelnen Staatsbuͤrgers haben, wie die Geſandten aus- waͤrtiger Maͤchte, an dieſem Vorrechte ein kraͤftiges Mittel, ihre Plane durchzuſetzen und alles zu verhindern, was denſelben zuwider- E 2

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/77>, abgerufen am 22.11.2024.