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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795.

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Witz so viel man kann, man schämt sich nicht,
der Erste bey Tische, der Durstige beym Glase,
der Verliebte beym schönen, der Eifersüchtige
beym treulosen Weibe zu seyn; mit einem
Worte: man giebt sich wie man ist, und
versperrt dadurch jedem Zwange die Thüre.

Daß diese Natürlichkeit zuweilen in ein
Benehmen ausarte, welches mit den Begrif-
fen, die man anderwärts von Wohlstand hat,
sehr zusammenläuft, ist zu erwarten. Wenn
man den unglücklichen Spieler zuweilen derb
auf den Tisch schlagen und kräftig fluchen
hört; wenn man einen stattlichen Mann,
bey Stern und Orden mit einer etwas zu
starken Ladung von Wein, auf schlotternden
Füßen herumschwanken sieht; wenn ein etwas
zu starker Esser, mit der Serviette vor dem
Munde, übereilt vom Tisch aufspringt und
zur nächsten Thür hinausfährt; wenn eine
Tänzerin ihrem Tänzer ein wenig zu lebhaft
in den Arm fliegt, und sein Auge ein wenig

Witz ſo viel man kann, man ſchaͤmt ſich nicht,
der Erſte bey Tiſche, der Durſtige beym Glaſe,
der Verliebte beym ſchoͤnen, der Eiferſuͤchtige
beym treuloſen Weibe zu ſeyn; mit einem
Worte: man giebt ſich wie man iſt, und
verſperrt dadurch jedem Zwange die Thuͤre.

Daß dieſe Natuͤrlichkeit zuweilen in ein
Benehmen ausarte, welches mit den Begrif-
fen, die man anderwaͤrts von Wohlſtand hat,
ſehr zuſammenlaͤuft, iſt zu erwarten. Wenn
man den ungluͤcklichen Spieler zuweilen derb
auf den Tiſch ſchlagen und kraͤftig fluchen
hoͤrt; wenn man einen ſtattlichen Mann,
bey Stern und Orden mit einer etwas zu
ſtarken Ladung von Wein, auf ſchlotternden
Fuͤßen herumſchwanken ſieht; wenn ein etwas
zu ſtarker Eſſer, mit der Serviette vor dem
Munde, uͤbereilt vom Tiſch aufſpringt und
zur naͤchſten Thuͤr hinausfaͤhrt; wenn eine
Taͤnzerin ihrem Taͤnzer ein wenig zu lebhaft
in den Arm fliegt, und ſein Auge ein wenig

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[204/0214] Witz ſo viel man kann, man ſchaͤmt ſich nicht, der Erſte bey Tiſche, der Durſtige beym Glaſe, der Verliebte beym ſchoͤnen, der Eiferſuͤchtige beym treuloſen Weibe zu ſeyn; mit einem Worte: man giebt ſich wie man iſt, und verſperrt dadurch jedem Zwange die Thuͤre. Daß dieſe Natuͤrlichkeit zuweilen in ein Benehmen ausarte, welches mit den Begrif- fen, die man anderwaͤrts von Wohlſtand hat, ſehr zuſammenlaͤuft, iſt zu erwarten. Wenn man den ungluͤcklichen Spieler zuweilen derb auf den Tiſch ſchlagen und kraͤftig fluchen hoͤrt; wenn man einen ſtattlichen Mann, bey Stern und Orden mit einer etwas zu ſtarken Ladung von Wein, auf ſchlotternden Fuͤßen herumſchwanken ſieht; wenn ein etwas zu ſtarker Eſſer, mit der Serviette vor dem Munde, uͤbereilt vom Tiſch aufſpringt und zur naͤchſten Thuͤr hinausfaͤhrt; wenn eine Taͤnzerin ihrem Taͤnzer ein wenig zu lebhaft in den Arm fliegt, und ſein Auge ein wenig

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/214>, abgerufen am 22.11.2024.