tung, die man selbst fordert, das heißt, ganz auf gleich und gleich. Die kleinstädti- schen Rücksichten auf den obern und untern Platz, die Schüchternheit im Widerspruche, das furchtsame Erwarten, ob ein Größerer einen anreden werde, das Zurückdrücken von Gruppen, die einem nicht bekannt sind, das erbärmliche Warten auf einen Gruß, das ängstliche Studium, einem jeden seinen Titel zu geben, das kindische Mildern des natürli- chen Lautes der Stimme, das Zurückhalten eines witzigen Einfalles, aus Furcht irgend jemand damit anzustechen, das matte, unter- würfige, überfeine Benehmen gegen die Wei- ber, und tausend andre Dinge, welche manche kleine große Welt in Deutschland quälen; von allen diesen findet man in den warschauischen Gesellschaften keine Spur, sondern man spricht und lacht, wie man sich gewöhnt hat, man behauptet, wovon man überzeugt ist, man widerspricht, wenn man anders denkt, man freuet sich laut über frohe Dinge, man macht
tung, die man ſelbſt fordert, das heißt, ganz auf gleich und gleich. Die kleinſtaͤdti- ſchen Ruͤckſichten auf den obern und untern Platz, die Schuͤchternheit im Widerſpruche, das furchtſame Erwarten, ob ein Groͤßerer einen anreden werde, das Zuruͤckdruͤcken von Gruppen, die einem nicht bekannt ſind, das erbaͤrmliche Warten auf einen Gruß, das aͤngſtliche Studium, einem jeden ſeinen Titel zu geben, das kindiſche Mildern des natuͤrli- chen Lautes der Stimme, das Zuruͤckhalten eines witzigen Einfalles, aus Furcht irgend jemand damit anzuſtechen, das matte, unter- wuͤrfige, uͤberfeine Benehmen gegen die Wei- ber, und tauſend andre Dinge, welche manche kleine große Welt in Deutſchland quaͤlen; von allen dieſen findet man in den warſchauiſchen Geſellſchaften keine Spur, ſondern man ſpricht und lacht, wie man ſich gewoͤhnt hat, man behauptet, wovon man uͤberzeugt iſt, man widerſpricht, wenn man anders denkt, man freuet ſich laut uͤber frohe Dinge, man macht
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[203/0213]
tung, die man ſelbſt fordert, das heißt,
ganz auf gleich und gleich. Die kleinſtaͤdti-
ſchen Ruͤckſichten auf den obern und untern
Platz, die Schuͤchternheit im Widerſpruche,
das furchtſame Erwarten, ob ein Groͤßerer
einen anreden werde, das Zuruͤckdruͤcken von
Gruppen, die einem nicht bekannt ſind, das
erbaͤrmliche Warten auf einen Gruß, das
aͤngſtliche Studium, einem jeden ſeinen Titel
zu geben, das kindiſche Mildern des natuͤrli-
chen Lautes der Stimme, das Zuruͤckhalten
eines witzigen Einfalles, aus Furcht irgend
jemand damit anzuſtechen, das matte, unter-
wuͤrfige, uͤberfeine Benehmen gegen die Wei-
ber, und tauſend andre Dinge, welche manche
kleine große Welt in Deutſchland quaͤlen; von
allen dieſen findet man in den warſchauiſchen
Geſellſchaften keine Spur, ſondern man ſpricht
und lacht, wie man ſich gewoͤhnt hat, man
behauptet, wovon man uͤberzeugt iſt, man
widerſpricht, wenn man anders denkt, man
freuet ſich laut uͤber frohe Dinge, man macht
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/213>, abgerufen am 16.02.2025.
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