die Musik zu ihrer Lieblingsb;eschäftigung ge- macht, und trieben sie unter dem Vorsitze und der Aufmunterung der Mutter. Es war ein höchst angenehmer Genuß, die Mutter bald ein Terzett mit ihren beyden Söhnen, bald ein anderes mit ihren beyden Töchtern singen zu hören, um so angenehmer, da sich das Auge zugleich an dem Schauspiele der innigsten mütterlichen und kindlichen Liebe, das einem in Warschau nicht oft geboten wird, weiden konnte. Jn den Gesellschaften, worin sich diese seltene Mutter befand und hören ließ, fehlte es immer noch nicht an Männerherzen, auf die ihre Stimme und ihr Wesen bedeuten- der, als aus alle übrige Zuhörer, wirkte.
Der Tanz, die Seele der polnischen Ge- sellschaften, wurde mit einer Anmuth und Leichtigkeit, aber auch mit einer Koketterie, und zum Theil, mit einer Wildheit behan- delt, die man nirgend in einem gleichen Grade findet. Vorzüglich angenehm führte man die
die Muſik zu ihrer Lieblingsb;eſchaͤftigung ge- macht, und trieben ſie unter dem Vorſitze und der Aufmunterung der Mutter. Es war ein hoͤchſt angenehmer Genuß, die Mutter bald ein Terzett mit ihren beyden Soͤhnen, bald ein anderes mit ihren beyden Toͤchtern ſingen zu hoͤren, um ſo angenehmer, da ſich das Auge zugleich an dem Schauſpiele der innigſten muͤtterlichen und kindlichen Liebe, das einem in Warſchau nicht oft geboten wird, weiden konnte. Jn den Geſellſchaften, worin ſich dieſe ſeltene Mutter befand und hoͤren ließ, fehlte es immer noch nicht an Maͤnnerherzen, auf die ihre Stimme und ihr Weſen bedeuten- der, als aus alle uͤbrige Zuhoͤrer, wirkte.
Der Tanz, die Seele der polniſchen Ge- ſellſchaften, wurde mit einer Anmuth und Leichtigkeit, aber auch mit einer Koketterie, und zum Theil, mit einer Wildheit behan- delt, die man nirgend in einem gleichen Grade findet. Vorzuͤglich angenehm fuͤhrte man die
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die Muſik zu ihrer Lieblingsb;eſchaͤftigung ge-
macht, und trieben ſie unter dem Vorſitze
und der Aufmunterung der Mutter. Es war
ein hoͤchſt angenehmer Genuß, die Mutter
bald ein Terzett mit ihren beyden Soͤhnen,
bald ein anderes mit ihren beyden Toͤchtern
ſingen zu hoͤren, um ſo angenehmer, da ſich
das Auge zugleich an dem Schauſpiele der
innigſten muͤtterlichen und kindlichen Liebe, das
einem in Warſchau nicht oft geboten wird,
weiden konnte. Jn den Geſellſchaften, worin
ſich dieſe ſeltene Mutter befand und hoͤren ließ,
fehlte es immer noch nicht an Maͤnnerherzen,
auf die ihre Stimme und ihr Weſen bedeuten-
der, als aus alle uͤbrige Zuhoͤrer, wirkte.
Der Tanz, die Seele der polniſchen Ge-
ſellſchaften, wurde mit einer Anmuth und
Leichtigkeit, aber auch mit einer Koketterie,
und zum Theil, mit einer Wildheit behan-
delt, die man nirgend in einem gleichen Grade
findet. Vorzuͤglich angenehm fuͤhrte man die
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/204>, abgerufen am 16.02.2025.
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