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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795.

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Unrecht, den Haushaltungen der Polen zur
Last legt, ist besonders in ihrem Landleben
sichtbar; und kein Wunder, da hier ihre
Magd- und Knechtschaft meist aus leibeigenen
Bauerburschen und Mädchen besteht, welche
die Nothwendigkeit des Waschens, Scheurens
und Aufräumens kaum ahnen. Jn Warschau
finden sie Bequemlichkeiten und feinere Dienst-
leistungen aller Art für Geld, aber auf dem
Lande finden sie weder die Begriffe davon, noch
die Geschicklichkeit dazu. Wenn indessen ihnen
hier alles fehlt, so haben sie gewiß keinen
Mangel an Wein, englischem Bier, gebrann-
ten Wassern und andern fremden Eß- und
Trinkwaaren, die sie selbst in großer Menge
verbrauchen, und ihren Gästen in Fülle und
mit der aufrichtigsten Gastfreundschaft vor-
setzen.

Doch je näher diese Landsitze an Warschau
liegen, desto seltener findet man solche Unord-
nungen in denselben. Mehrere der größern
Familien unterhalten dergleichen um jene

Unrecht, den Haushaltungen der Polen zur
Laſt legt, iſt beſonders in ihrem Landleben
ſichtbar; und kein Wunder, da hier ihre
Magd- und Knechtſchaft meiſt aus leibeigenen
Bauerburſchen und Maͤdchen beſteht, welche
die Nothwendigkeit des Waſchens, Scheurens
und Aufraͤumens kaum ahnen. Jn Warſchau
finden ſie Bequemlichkeiten und feinere Dienſt-
leiſtungen aller Art fuͤr Geld, aber auf dem
Lande finden ſie weder die Begriffe davon, noch
die Geſchicklichkeit dazu. Wenn indeſſen ihnen
hier alles fehlt, ſo haben ſie gewiß keinen
Mangel an Wein, engliſchem Bier, gebrann-
ten Waſſern und andern fremden Eß- und
Trinkwaaren, die ſie ſelbſt in großer Menge
verbrauchen, und ihren Gaͤſten in Fuͤlle und
mit der aufrichtigſten Gaſtfreundſchaft vor-
ſetzen.

Doch je naͤher dieſe Landſitze an Warſchau
liegen, deſto ſeltener findet man ſolche Unord-
nungen in denſelben. Mehrere der groͤßern
Familien unterhalten dergleichen um jene

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[158/0168] Unrecht, den Haushaltungen der Polen zur Laſt legt, iſt beſonders in ihrem Landleben ſichtbar; und kein Wunder, da hier ihre Magd- und Knechtſchaft meiſt aus leibeigenen Bauerburſchen und Maͤdchen beſteht, welche die Nothwendigkeit des Waſchens, Scheurens und Aufraͤumens kaum ahnen. Jn Warſchau finden ſie Bequemlichkeiten und feinere Dienſt- leiſtungen aller Art fuͤr Geld, aber auf dem Lande finden ſie weder die Begriffe davon, noch die Geſchicklichkeit dazu. Wenn indeſſen ihnen hier alles fehlt, ſo haben ſie gewiß keinen Mangel an Wein, engliſchem Bier, gebrann- ten Waſſern und andern fremden Eß- und Trinkwaaren, die ſie ſelbſt in großer Menge verbrauchen, und ihren Gaͤſten in Fuͤlle und mit der aufrichtigſten Gaſtfreundſchaft vor- ſetzen. Doch je naͤher dieſe Landſitze an Warſchau liegen, deſto ſeltener findet man ſolche Unord- nungen in denſelben. Mehrere der groͤßern Familien unterhalten dergleichen um jene

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/168>, abgerufen am 24.11.2024.