deutlich zu machen, weil sie sich bey dem ge- meinsten Getränke die lange Weile der Wache zu vertreiben, und zu dem höchsten Grad ih- res irdischen Glückes durch Betäubung und todesähnlichen Schlaf zu erheben pflegen. Ue- berdieß ist es in Warschau Sitte, Kutscher und Bediente nicht nach Hause zurückzuschicken, sondern jedesmal auf sich warten zu lassen, wären es auch im härtesten Winter mehrere Stunden. Oft sogar, wenn man Wagen und Pferde des Gesuchten irgendwo vor einem Pal- laste halten sieht, ist es noch kein Beweis, daß er wirklich dort sey. Er ist wohl mit einem Andern, in dessen Wagen, anders wohin ge- fahren, oder er hat den seinigen einem Andern geborgt, und dieser ist jetzt hier; mit einem Worte, man kann selbst stundenlang umher- fahren, ohne zu finden, was man sucht. Dazu kömmt, daß die Bedienten, wenn sie meynen, ihr Herr oder ihre Frau werde an einem Orte, z. B. am Reichstage, in der Komödie, auf einem Ball, lange bleiben, in das nächste
deutlich zu machen, weil ſie ſich bey dem ge- meinſten Getraͤnke die lange Weile der Wache zu vertreiben, und zu dem hoͤchſten Grad ih- res irdiſchen Gluͤckes durch Betaͤubung und todesaͤhnlichen Schlaf zu erheben pflegen. Ue- berdieß iſt es in Warſchau Sitte, Kutſcher und Bediente nicht nach Hauſe zuruͤckzuſchicken, ſondern jedesmal auf ſich warten zu laſſen, waͤren es auch im haͤrteſten Winter mehrere Stunden. Oft ſogar, wenn man Wagen und Pferde des Geſuchten irgendwo vor einem Pal- laſte halten ſieht, iſt es noch kein Beweis, daß er wirklich dort ſey. Er iſt wohl mit einem Andern, in deſſen Wagen, anders wohin ge- fahren, oder er hat den ſeinigen einem Andern geborgt, und dieſer iſt jetzt hier; mit einem Worte, man kann ſelbſt ſtundenlang umher- fahren, ohne zu finden, was man ſucht. Dazu koͤmmt, daß die Bedienten, wenn ſie meynen, ihr Herr oder ihre Frau werde an einem Orte, z. B. am Reichstage, in der Komoͤdie, auf einem Ball, lange bleiben, in das naͤchſte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0149"n="139"/>
deutlich zu machen, weil ſie ſich bey dem ge-<lb/>
meinſten Getraͤnke die lange Weile der Wache<lb/>
zu vertreiben, und zu dem hoͤchſten Grad ih-<lb/>
res irdiſchen Gluͤckes durch Betaͤubung und<lb/>
todesaͤhnlichen Schlaf zu erheben pflegen. Ue-<lb/>
berdieß iſt es in Warſchau Sitte, Kutſcher und<lb/>
Bediente nicht nach Hauſe zuruͤckzuſchicken,<lb/>ſondern jedesmal auf ſich warten zu laſſen,<lb/>
waͤren es auch im haͤrteſten Winter mehrere<lb/>
Stunden. Oft ſogar, wenn man Wagen und<lb/>
Pferde des Geſuchten irgendwo vor einem Pal-<lb/>
laſte halten ſieht, iſt es noch kein Beweis, daß<lb/>
er wirklich dort ſey. Er iſt wohl mit einem<lb/>
Andern, in deſſen Wagen, anders wohin ge-<lb/>
fahren, oder er hat den ſeinigen einem Andern<lb/>
geborgt, und dieſer iſt jetzt hier; mit einem<lb/>
Worte, man kann ſelbſt ſtundenlang umher-<lb/>
fahren, ohne zu finden, was man ſucht. Dazu<lb/>
koͤmmt, daß die Bedienten, wenn ſie meynen,<lb/>
ihr Herr oder ihre Frau werde an einem Orte,<lb/>
z. B. am Reichstage, in der Komoͤdie, auf<lb/>
einem Ball, lange bleiben, in das naͤchſte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[139/0149]
deutlich zu machen, weil ſie ſich bey dem ge-
meinſten Getraͤnke die lange Weile der Wache
zu vertreiben, und zu dem hoͤchſten Grad ih-
res irdiſchen Gluͤckes durch Betaͤubung und
todesaͤhnlichen Schlaf zu erheben pflegen. Ue-
berdieß iſt es in Warſchau Sitte, Kutſcher und
Bediente nicht nach Hauſe zuruͤckzuſchicken,
ſondern jedesmal auf ſich warten zu laſſen,
waͤren es auch im haͤrteſten Winter mehrere
Stunden. Oft ſogar, wenn man Wagen und
Pferde des Geſuchten irgendwo vor einem Pal-
laſte halten ſieht, iſt es noch kein Beweis, daß
er wirklich dort ſey. Er iſt wohl mit einem
Andern, in deſſen Wagen, anders wohin ge-
fahren, oder er hat den ſeinigen einem Andern
geborgt, und dieſer iſt jetzt hier; mit einem
Worte, man kann ſelbſt ſtundenlang umher-
fahren, ohne zu finden, was man ſucht. Dazu
koͤmmt, daß die Bedienten, wenn ſie meynen,
ihr Herr oder ihre Frau werde an einem Orte,
z. B. am Reichstage, in der Komoͤdie, auf
einem Ball, lange bleiben, in das naͤchſte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/149>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.