bürgerlicher Rücksicht, der Bauer so viel als der Edelmann, der Jude so viel als der Wechsler, und nur Nutzbarkeit und Treue bestimmen seinen eigentlichen Werth; in mo- narchischen Staaten erhält der Bauer zugleich mit einem Eigenthum ein Vaterland, mit einem Herrn einen Vater und Beschützer, und mit beiden, Liebe zu seinem Wohnplatz und Vertrauen zu sich selbst; in aristokratischen Staaten dagegen, hat und fühlt er nichts von dem allen, und er verläßt seinen väterlichen Boden, wie seinen Herrn, mit gleicher Leich- tigkeit, und vertauscht beide mit Freuden gegen andre, wenn er auch keinen andern Ge- nuß dabei haben sollte, als die Hoffnung, sei- nen Zustand zu verbessern. Ein Land, worin der Bauer politisch nichts ist, hat an ihm keinen Vertheidiger; denn für was sollte er streiten? Soll er für den Vortheil Anderer sein Leben aufopfern, da er nichts verlieren kann, wenn er den Herrn wechselt, da er vielleicht gewinnt? So sind aristokratische Ver-
Zweites Heft. G
buͤrgerlicher Ruͤckſicht, der Bauer ſo viel als der Edelmann, der Jude ſo viel als der Wechsler, und nur Nutzbarkeit und Treue beſtimmen ſeinen eigentlichen Werth; in mo- narchiſchen Staaten erhaͤlt der Bauer zugleich mit einem Eigenthum ein Vaterland, mit einem Herrn einen Vater und Beſchuͤtzer, und mit beiden, Liebe zu ſeinem Wohnplatz und Vertrauen zu ſich ſelbſt; in ariſtokratiſchen Staaten dagegen, hat und fuͤhlt er nichts von dem allen, und er verlaͤßt ſeinen vaͤterlichen Boden, wie ſeinen Herrn, mit gleicher Leich- tigkeit, und vertauſcht beide mit Freuden gegen andre, wenn er auch keinen andern Ge- nuß dabei haben ſollte, als die Hoffnung, ſei- nen Zuſtand zu verbeſſern. Ein Land, worin der Bauer politiſch nichts iſt, hat an ihm keinen Vertheidiger; denn fuͤr was ſollte er ſtreiten? Soll er fuͤr den Vortheil Anderer ſein Leben aufopfern, da er nichts verlieren kann, wenn er den Herrn wechſelt, da er vielleicht gewinnt? So ſind ariſtokratiſche Ver-
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buͤrgerlicher Ruͤckſicht, der Bauer ſo viel als
der Edelmann, der Jude ſo viel als der
Wechsler, und nur Nutzbarkeit und Treue
beſtimmen ſeinen eigentlichen Werth; in mo-
narchiſchen Staaten erhaͤlt der Bauer zugleich
mit einem Eigenthum ein Vaterland, mit
einem Herrn einen Vater und Beſchuͤtzer,
und mit beiden, Liebe zu ſeinem Wohnplatz
und Vertrauen zu ſich ſelbſt; in ariſtokratiſchen
Staaten dagegen, hat und fuͤhlt er nichts von
dem allen, und er verlaͤßt ſeinen vaͤterlichen
Boden, wie ſeinen Herrn, mit gleicher Leich-
tigkeit, und vertauſcht beide mit Freuden
gegen andre, wenn er auch keinen andern Ge-
nuß dabei haben ſollte, als die Hoffnung, ſei-
nen Zuſtand zu verbeſſern. Ein Land, worin
der Bauer politiſch nichts iſt, hat an ihm
keinen Vertheidiger; denn fuͤr was ſollte er
ſtreiten? Soll er fuͤr den Vortheil Anderer
ſein Leben aufopfern, da er nichts verlieren
kann, wenn er den Herrn wechſelt, da er
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/107>, abgerufen am 16.02.2025.
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