Etwas erträglicher ist das Schicksal der sogenannten königlichen Bauern, das heißt derer, die zu den Krongütern, zu den Starosteyen gehören. Sie stehen nicht so un- bedingt unter der Willkühr ihrer Starosten, und es ist ihnen erlaubt, diese bei den könig- lichen Gerichten zu belangen, wenn sie sich Gewaltsamkeiten und Ungerechtigkeiten gegen sie zu Schulden kommen lassen. Freilich muß man sich diese Erlaubniß nur als eine Schranke denken, die der Starost überschreiten kann, sobald er nur will; aber ihr bloßes Daseyn verhindert schon vieles, und gewährt dem nicht ganz Hülflosen eine Art von Zuversicht und Beruhigung.
Eine dritte Gattung von Bauern nähert sich schon mehr den Bürgern in den adeli- chen Städten. Diese sind die sogenannten deutschen oder freyen Bauern, deren ich oben bei dem Dorfe Gog in Lithauen er- wähnt habe, wohin ich zurückverweise. Hier merke ich nur noch an, daß diejenigen Bauern,
Etwas ertraͤglicher iſt das Schickſal der ſogenannten koͤniglichen Bauern, das heißt derer, die zu den Kronguͤtern, zu den Staroſteyen gehoͤren. Sie ſtehen nicht ſo un- bedingt unter der Willkuͤhr ihrer Staroſten, und es iſt ihnen erlaubt, dieſe bei den koͤnig- lichen Gerichten zu belangen, wenn ſie ſich Gewaltſamkeiten und Ungerechtigkeiten gegen ſie zu Schulden kommen laſſen. Freilich muß man ſich dieſe Erlaubniß nur als eine Schranke denken, die der Staroſt uͤberſchreiten kann, ſobald er nur will; aber ihr bloßes Daſeyn verhindert ſchon vieles, und gewaͤhrt dem nicht ganz Huͤlfloſen eine Art von Zuverſicht und Beruhigung.
Eine dritte Gattung von Bauern naͤhert ſich ſchon mehr den Buͤrgern in den adeli- chen Staͤdten. Dieſe ſind die ſogenannten deutſchen oder freyen Bauern, deren ich oben bei dem Dorfe Gog in Lithauen er- waͤhnt habe, wohin ich zuruͤckverweiſe. Hier merke ich nur noch an, daß diejenigen Bauern,
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Etwas ertraͤglicher iſt das Schickſal der
ſogenannten koͤniglichen Bauern, das
heißt derer, die zu den Kronguͤtern, zu den
Staroſteyen gehoͤren. Sie ſtehen nicht ſo un-
bedingt unter der Willkuͤhr ihrer Staroſten,
und es iſt ihnen erlaubt, dieſe bei den koͤnig-
lichen Gerichten zu belangen, wenn ſie ſich
Gewaltſamkeiten und Ungerechtigkeiten gegen
ſie zu Schulden kommen laſſen. Freilich muß
man ſich dieſe Erlaubniß nur als eine Schranke
denken, die der Staroſt uͤberſchreiten kann,
ſobald er nur will; aber ihr bloßes Daſeyn
verhindert ſchon vieles, und gewaͤhrt dem nicht
ganz Huͤlfloſen eine Art von Zuverſicht und
Beruhigung.
Eine dritte Gattung von Bauern naͤhert
ſich ſchon mehr den Buͤrgern in den adeli-
chen Staͤdten. Dieſe ſind die ſogenannten
deutſchen oder freyen Bauern, deren ich
oben bei dem Dorfe Gog in Lithauen er-
waͤhnt habe, wohin ich zuruͤckverweiſe. Hier
merke ich nur noch an, daß diejenigen Bauern,
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, H. 2. Berlin, 1795, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0102_1795/105>, abgerufen am 16.02.2025.
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