ein Wörtchen, das wohl den Unterschied zwi- schen Wirthshaus und Hospital auf ewig be- gründen dürfte.
Das ansehnlichste Hospital in Warschau ist das Kind Jesus, von dem jetzigen Kö- nige gestiftet, der demselben nicht nur selbst eine, für seine Umstände, beträchtliche Summe geschenkt, sondern auch Mitleid, Mode und Eitelkeit seiner Unterthanen in Bewegung ge- setzt hat, ein gleiches zu thun. Unter andern fließt eine Abgabe, die jeder Stanislausritter jährlich zu erlegen hat und die, wenn ich nicht irre, 8 Dukaten beträgt, diesem Hause zu; aber -- eine Menge Ritter sind diese Bey- träge seit Jahren schuldig und die Wahrschein- lichkeit, daß sie dieselben abtragen werden, ver- ringert sich mit jedem Jahre, weil die Sum- me mit jedem Jahre größer wird. Zwangs- mittel dazu anzuwenden, scheint unanständig, es ist wahr, und die Wohlthätigkeit wäre sehr wunderlich, die erzwungen werden müßte; aber so wie der Mensch einmal ist, bin ich doch
ein Woͤrtchen, das wohl den Unterſchied zwi- ſchen Wirthshaus und Hoſpital auf ewig be- gruͤnden duͤrfte.
Das anſehnlichſte Hoſpital in Warſchau iſt das Kind Jeſus, von dem jetzigen Koͤ- nige geſtiftet, der demſelben nicht nur ſelbſt eine, fuͤr ſeine Umſtaͤnde, betraͤchtliche Summe geſchenkt, ſondern auch Mitleid, Mode und Eitelkeit ſeiner Unterthanen in Bewegung ge- ſetzt hat, ein gleiches zu thun. Unter andern fließt eine Abgabe, die jeder Stanislausritter jaͤhrlich zu erlegen hat und die, wenn ich nicht irre, 8 Dukaten betraͤgt, dieſem Hauſe zu; aber — eine Menge Ritter ſind dieſe Bey- traͤge ſeit Jahren ſchuldig und die Wahrſchein- lichkeit, daß ſie dieſelben abtragen werden, ver- ringert ſich mit jedem Jahre, weil die Sum- me mit jedem Jahre groͤßer wird. Zwangs- mittel dazu anzuwenden, ſcheint unanſtaͤndig, es iſt wahr, und die Wohlthaͤtigkeit waͤre ſehr wunderlich, die erzwungen werden muͤßte; aber ſo wie der Menſch einmal iſt, bin ich doch
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ein Woͤrtchen, das wohl den Unterſchied zwi-
ſchen Wirthshaus und Hoſpital auf ewig be-
gruͤnden duͤrfte.
Das anſehnlichſte Hoſpital in Warſchau
iſt das Kind Jeſus, von dem jetzigen Koͤ-
nige geſtiftet, der demſelben nicht nur ſelbſt
eine, fuͤr ſeine Umſtaͤnde, betraͤchtliche Summe
geſchenkt, ſondern auch Mitleid, Mode und
Eitelkeit ſeiner Unterthanen in Bewegung ge-
ſetzt hat, ein gleiches zu thun. Unter andern
fließt eine Abgabe, die jeder Stanislausritter
jaͤhrlich zu erlegen hat und die, wenn ich nicht
irre, 8 Dukaten betraͤgt, dieſem Hauſe zu;
aber — eine Menge Ritter ſind dieſe Bey-
traͤge ſeit Jahren ſchuldig und die Wahrſchein-
lichkeit, daß ſie dieſelben abtragen werden, ver-
ringert ſich mit jedem Jahre, weil die Sum-
me mit jedem Jahre groͤßer wird. Zwangs-
mittel dazu anzuwenden, ſcheint unanſtaͤndig,
es iſt wahr, und die Wohlthaͤtigkeit waͤre ſehr
wunderlich, die erzwungen werden muͤßte; aber
ſo wie der Menſch einmal iſt, bin ich doch
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/175>, abgerufen am 22.07.2024.
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