zu solch einem schwebenden, tausendfach an- in- und durch- einander geflickten Lumpentalar, nun noch einen langen schwarzen Bart, eine überall gelb heraus dringende Haut, ein schwar- zes Bein ohne Hosen und Strümpfe: so kann man sich ungefähr die Abentheuerlichkeit des Anblicks vorbilden, den mehrere Menschen die- ser Art, auf Einem Haufen gesehen, darbieten müssen, und der wohl nur durch den Aufzug der Bettler in Bologna, Rom und Neapel übertroffen werden dürfte.
Unmittelbar über dieser Klasse stehen, ih- rem Aeußern nach, die Juden. Da sie an Polen eine Art von Vaterland wieder gefun- den haben, so sieht man ihrer auch in War- schau eine große Menge, und sie wohnen hier theils einzeln in den entlegenern Gegenden der Stadt, theils in eigenen Gehöften. Die Tracht der Männer ist des Sommers der bekannte lange, schwarze Talar, der, je nachdem sein Besitzer reich oder arm ist, weniger schmutzig und zerrissen um ihn herum hängt. Jm Win-
zu ſolch einem ſchwebenden, tauſendfach an- in- und durch- einander geflickten Lumpentalar, nun noch einen langen ſchwarzen Bart, eine uͤberall gelb heraus dringende Haut, ein ſchwar- zes Bein ohne Hoſen und Struͤmpfe: ſo kann man ſich ungefaͤhr die Abentheuerlichkeit des Anblicks vorbilden, den mehrere Menſchen die- ſer Art, auf Einem Haufen geſehen, darbieten muͤſſen, und der wohl nur durch den Aufzug der Bettler in Bologna, Rom und Neapel uͤbertroffen werden duͤrfte.
Unmittelbar uͤber dieſer Klaſſe ſtehen, ih- rem Aeußern nach, die Juden. Da ſie an Polen eine Art von Vaterland wieder gefun- den haben, ſo ſieht man ihrer auch in War- ſchau eine große Menge, und ſie wohnen hier theils einzeln in den entlegenern Gegenden der Stadt, theils in eigenen Gehoͤften. Die Tracht der Maͤnner iſt des Sommers der bekannte lange, ſchwarze Talar, der, je nachdem ſein Beſitzer reich oder arm iſt, weniger ſchmutzig und zerriſſen um ihn herum haͤngt. Jm Win-
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zu ſolch einem ſchwebenden, tauſendfach an- in-
und durch- einander geflickten Lumpentalar,
nun noch einen langen ſchwarzen Bart, eine
uͤberall gelb heraus dringende Haut, ein ſchwar-
zes Bein ohne Hoſen und Struͤmpfe: ſo kann
man ſich ungefaͤhr die Abentheuerlichkeit des
Anblicks vorbilden, den mehrere Menſchen die-
ſer Art, auf Einem Haufen geſehen, darbieten
muͤſſen, und der wohl nur durch den Aufzug
der Bettler in Bologna, Rom und Neapel
uͤbertroffen werden duͤrfte.
Unmittelbar uͤber dieſer Klaſſe ſtehen, ih-
rem Aeußern nach, die Juden. Da ſie an
Polen eine Art von Vaterland wieder gefun-
den haben, ſo ſieht man ihrer auch in War-
ſchau eine große Menge, und ſie wohnen hier
theils einzeln in den entlegenern Gegenden der
Stadt, theils in eigenen Gehoͤften. Die Tracht
der Maͤnner iſt des Sommers der bekannte
lange, ſchwarze Talar, der, je nachdem ſein
Beſitzer reich oder arm iſt, weniger ſchmutzig
und zerriſſen um ihn herum haͤngt. Jm Win-
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/142>, abgerufen am 22.07.2024.
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