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Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797.

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lehnte er sich an einen Balken, den Glocken
gegenüber, ordnete einige Seile, die von ih-
ren Klöppeln herab hingen, gab eins davon
einem Buben in die Hand, und fing nun an,
mit Händen und Füßen angestrengt zu arbei-
ten, und dem Knaben mit dem Kopfe zu win-
ken, wenn er die siebente Glocke anschlagen
sollte; worauf denn ein gewisses Tongemenge
erfolgte, das er "una bella arietta" nannte
und die er weit später müde wurde zu spielen
als ich, zu hören. Es that mir leid, daß
ich seine Emsigkeit unterbrechen mußte, weil
ich gern auf das oberste Geländer des Thur-
mes wollte, um die Gegend zu übersehen.
Gerade, als er die zweyte Ariette anfing,
stand ich auf und stieg höher, und er gab
mir, auf gut Jtalienisch, mit klaren Worten
zu vernehmen, daß es ihn verdröße und daß
ich der erste Fremde sey, der sich aus seiner
Erfindung nichts mache. Er war mit seiner
Beschwerde leicht zu verstehen. Zuvörderst
war seine Eigenliebe beleidigt, daß ich gegen

lehnte er ſich an einen Balken, den Glocken
gegenuͤber, ordnete einige Seile, die von ih-
ren Kloͤppeln herab hingen, gab eins davon
einem Buben in die Hand, und fing nun an,
mit Haͤnden und Fuͤßen angeſtrengt zu arbei-
ten, und dem Knaben mit dem Kopfe zu win-
ken, wenn er die ſiebente Glocke anſchlagen
ſollte; worauf denn ein gewiſſes Tongemenge
erfolgte, das er „una bella arietta“ nannte
und die er weit ſpaͤter muͤde wurde zu ſpielen
als ich, zu hoͤren. Es that mir leid, daß
ich ſeine Emſigkeit unterbrechen mußte, weil
ich gern auf das oberſte Gelaͤnder des Thur-
mes wollte, um die Gegend zu uͤberſehen.
Gerade, als er die zweyte Ariette anfing,
ſtand ich auf und ſtieg hoͤher, und er gab
mir, auf gut Jtalieniſch, mit klaren Worten
zu vernehmen, daß es ihn verdroͤße und daß
ich der erſte Fremde ſey, der ſich aus ſeiner
Erfindung nichts mache. Er war mit ſeiner
Beſchwerde leicht zu verſtehen. Zuvoͤrderſt
war ſeine Eigenliebe beleidigt, daß ich gegen

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[247/0255] lehnte er ſich an einen Balken, den Glocken gegenuͤber, ordnete einige Seile, die von ih- ren Kloͤppeln herab hingen, gab eins davon einem Buben in die Hand, und fing nun an, mit Haͤnden und Fuͤßen angeſtrengt zu arbei- ten, und dem Knaben mit dem Kopfe zu win- ken, wenn er die ſiebente Glocke anſchlagen ſollte; worauf denn ein gewiſſes Tongemenge erfolgte, das er „una bella arietta“ nannte und die er weit ſpaͤter muͤde wurde zu ſpielen als ich, zu hoͤren. Es that mir leid, daß ich ſeine Emſigkeit unterbrechen mußte, weil ich gern auf das oberſte Gelaͤnder des Thur- mes wollte, um die Gegend zu uͤberſehen. Gerade, als er die zweyte Ariette anfing, ſtand ich auf und ſtieg hoͤher, und er gab mir, auf gut Jtalieniſch, mit klaren Worten zu vernehmen, daß es ihn verdroͤße und daß ich der erſte Fremde ſey, der ſich aus ſeiner Erfindung nichts mache. Er war mit ſeiner Beſchwerde leicht zu verſtehen. Zuvoͤrderſt war ſeine Eigenliebe beleidigt, daß ich gegen

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/255>, abgerufen am 25.11.2024.