sehr nüchtern und überlegt, und gewisse An- wandlungen von Großmuth, von kostspilliger Theilnehmung, von gutherziger Pralerey, die bey den genannten Nationen noch häufig ge- nug sind, werden unter ihnen nicht bemerkt. Wer deshalb nicht selbst für sich sorgt, könnte leicht vor den Pallästen seiner reichen Ver- wandten verhungern. Dieser Umstand führt den andern herbey, daß in Jtalien nichts um- sonst geschieht, daß man Gefälligkeiten, Lie- besdienste, Aufopferungen nicht kennt, und daß man nirgends in der Welt, von früher Kind- heit an, seinen Vortheil so wohl versteht. Es ist auffallend, wie kindlich unter andern der deutsche Charakter in diesem Punkt gegen den italienischen erscheint. Dahin gehörige Aeußerungen des erstern begreift der letztere nicht, oder findet sie einfältig und lächerlich.
Der veronesische Adel ist Liebhaber und Beförderer der schönen und nützlichen Wissen- schaften und Künste. Seine Vaterstadt steht seit lange schon in dem Rufe, daß sie dieselben
ſehr nuͤchtern und uͤberlegt, und gewiſſe An- wandlungen von Großmuth, von koſtſpilliger Theilnehmung, von gutherziger Pralerey, die bey den genannten Nationen noch haͤufig ge- nug ſind, werden unter ihnen nicht bemerkt. Wer deshalb nicht ſelbſt fuͤr ſich ſorgt, koͤnnte leicht vor den Pallaͤſten ſeiner reichen Ver- wandten verhungern. Dieſer Umſtand fuͤhrt den andern herbey, daß in Jtalien nichts um- ſonſt geſchieht, daß man Gefaͤlligkeiten, Lie- besdienſte, Aufopferungen nicht kennt, und daß man nirgends in der Welt, von fruͤher Kind- heit an, ſeinen Vortheil ſo wohl verſteht. Es iſt auffallend, wie kindlich unter andern der deutſche Charakter in dieſem Punkt gegen den italieniſchen erſcheint. Dahin gehoͤrige Aeußerungen des erſtern begreift der letztere nicht, oder findet ſie einfaͤltig und laͤcherlich.
Der veroneſiſche Adel iſt Liebhaber und Befoͤrderer der ſchoͤnen und nuͤtzlichen Wiſſen- ſchaften und Kuͤnſte. Seine Vaterſtadt ſteht ſeit lange ſchon in dem Rufe, daß ſie dieſelben
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ſehr nuͤchtern und uͤberlegt, und gewiſſe An-
wandlungen von Großmuth, von koſtſpilliger
Theilnehmung, von gutherziger Pralerey, die
bey den genannten Nationen noch haͤufig ge-
nug ſind, werden unter ihnen nicht bemerkt.
Wer deshalb nicht ſelbſt fuͤr ſich ſorgt, koͤnnte
leicht vor den Pallaͤſten ſeiner reichen Ver-
wandten verhungern. Dieſer Umſtand fuͤhrt
den andern herbey, daß in Jtalien nichts um-
ſonſt geſchieht, daß man Gefaͤlligkeiten, Lie-
besdienſte, Aufopferungen nicht kennt, und daß
man nirgends in der Welt, von fruͤher Kind-
heit an, ſeinen Vortheil ſo wohl verſteht.
Es iſt auffallend, wie kindlich unter andern
der deutſche Charakter in dieſem Punkt gegen
den italieniſchen erſcheint. Dahin gehoͤrige
Aeußerungen des erſtern begreift der letztere
nicht, oder findet ſie einfaͤltig und laͤcherlich.
Der veroneſiſche Adel iſt Liebhaber und
Befoͤrderer der ſchoͤnen und nuͤtzlichen Wiſſen-
ſchaften und Kuͤnſte. Seine Vaterſtadt ſteht
ſeit lange ſchon in dem Rufe, daß ſie dieſelben
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschiene… [mehr]
Die "Neue Reise durch Italien" ist auch erschienen als 7. Heft der "Reise eines Livländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau [...] nach Bozen in Tyrol".
Schulz, Friedrich: Neue Reise durch Italien. Bd. 1, H. 1. Berlin, 1797, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_italien_1797/150>, abgerufen am 16.02.2025.
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