Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.der Ruine ließ er ihren Arm nicht fahren, und was Leonoren am meisten beängstigte, war der Umstand, daß Frau von Breteuil auf halbem Wege zurückgeblieben, weil ihr die Höhe zu steil, und daß das übrige Gefolge sich wie geflissentlich fortwährend entfernt hielt. Endlich sah Leonore sich in einem runden, ziemlich wohlerhaltenen Thurmgemach ganz allein mit dem Grafen, und dieser zog die einzige, durch starke alte Beschläge vor dem Auseinanderfallen bewahrte Thüre hinter sich zu. Ma foi, sagte Artois, den Arm um ihre Taille schlingend, ich bin nie mit einem schönen Kinde allein, ohne in der ersten Viertelstunde eine Gunstbezeugung, oder eine Ohrfeige erhalten zu haben! Leonore ist mir zu gut, um mir die letztere zu geben. Er zog sie an sich und wollte sie küssen. Monseigneur! rief Leonore aus und suchte sich, glühend vor Zorn, loszureißen. Er ließ sie fahren und sah sie mit funkelnden Blicken an. Sie war wunderbar schön in ihrem Zorn, wie ein beleidigter Cherub. Du bist magnifique, blendend! sagte er und nahte sich ihr wieder. Rühren Sie mich nicht an, oder -- Quelle niaiserie! Er umschlang sie wieder; sie stieß ihn zurück. Ich werde um Hülfe schreien. Man wird dir nicht helfen. der Ruine ließ er ihren Arm nicht fahren, und was Leonoren am meisten beängstigte, war der Umstand, daß Frau von Breteuil auf halbem Wege zurückgeblieben, weil ihr die Höhe zu steil, und daß das übrige Gefolge sich wie geflissentlich fortwährend entfernt hielt. Endlich sah Leonore sich in einem runden, ziemlich wohlerhaltenen Thurmgemach ganz allein mit dem Grafen, und dieser zog die einzige, durch starke alte Beschläge vor dem Auseinanderfallen bewahrte Thüre hinter sich zu. Ma foi, sagte Artois, den Arm um ihre Taille schlingend, ich bin nie mit einem schönen Kinde allein, ohne in der ersten Viertelstunde eine Gunstbezeugung, oder eine Ohrfeige erhalten zu haben! Leonore ist mir zu gut, um mir die letztere zu geben. Er zog sie an sich und wollte sie küssen. Monseigneur! rief Leonore aus und suchte sich, glühend vor Zorn, loszureißen. Er ließ sie fahren und sah sie mit funkelnden Blicken an. Sie war wunderbar schön in ihrem Zorn, wie ein beleidigter Cherub. Du bist magnifique, blendend! sagte er und nahte sich ihr wieder. Rühren Sie mich nicht an, oder — Quelle niaiserie! Er umschlang sie wieder; sie stieß ihn zurück. Ich werde um Hülfe schreien. Man wird dir nicht helfen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="7"> <p><pb facs="#f0097"/> der Ruine ließ er ihren Arm nicht fahren, und was Leonoren am meisten beängstigte, war der Umstand, daß Frau von Breteuil auf halbem Wege zurückgeblieben, weil ihr die Höhe zu steil, und daß das übrige Gefolge sich wie geflissentlich fortwährend entfernt hielt. Endlich sah Leonore sich in einem runden, ziemlich wohlerhaltenen Thurmgemach ganz allein mit dem Grafen, und dieser zog die einzige, durch starke alte Beschläge vor dem Auseinanderfallen bewahrte Thüre hinter sich zu.</p><lb/> <p>Ma foi, sagte Artois, den Arm um ihre Taille schlingend, ich bin nie mit einem schönen Kinde allein, ohne in der ersten Viertelstunde eine Gunstbezeugung, oder eine Ohrfeige erhalten zu haben! Leonore ist mir zu gut, um mir die letztere zu geben.</p><lb/> <p>Er zog sie an sich und wollte sie küssen.</p><lb/> <p>Monseigneur! rief Leonore aus und suchte sich, glühend vor Zorn, loszureißen.</p><lb/> <p>Er ließ sie fahren und sah sie mit funkelnden Blicken an. Sie war wunderbar schön in ihrem Zorn, wie ein beleidigter Cherub.</p><lb/> <p>Du bist magnifique, blendend! sagte er und nahte sich ihr wieder.</p><lb/> <p>Rühren Sie mich nicht an, oder —</p><lb/> <p>Quelle niaiserie!</p><lb/> <p>Er umschlang sie wieder; sie stieß ihn zurück.</p><lb/> <p>Ich werde um Hülfe schreien.</p><lb/> <p>Man wird dir nicht helfen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0097]
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Ma foi, sagte Artois, den Arm um ihre Taille schlingend, ich bin nie mit einem schönen Kinde allein, ohne in der ersten Viertelstunde eine Gunstbezeugung, oder eine Ohrfeige erhalten zu haben! Leonore ist mir zu gut, um mir die letztere zu geben.
Er zog sie an sich und wollte sie küssen.
Monseigneur! rief Leonore aus und suchte sich, glühend vor Zorn, loszureißen.
Er ließ sie fahren und sah sie mit funkelnden Blicken an. Sie war wunderbar schön in ihrem Zorn, wie ein beleidigter Cherub.
Du bist magnifique, blendend! sagte er und nahte sich ihr wieder.
Rühren Sie mich nicht an, oder —
Quelle niaiserie!
Er umschlang sie wieder; sie stieß ihn zurück.
Ich werde um Hülfe schreien.
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