Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gelte, welche durch das Grün der Gebüsche glänzten. Sie standen still und unbeweglich, diese marmornen Ideale, während alles Andere im Hauch der Nacht ein zweites, innigeres, tieferes Leben zu leben schien. Man hätte sie beneiden können, solche Wesen von voller harmonischer Bildung, die sich in Marmor gefestet hat, dem Schmerz und der Leidenschaft, und was entstellt und den Herzensfrieden stört, in ewiger Unveränderlichkeit enthoben. Auf ihren glatten Stirnen liegt der Kuß des Mondes, ihr Auge blickt unbeweglich in die Ferne, und um den Mund liegen stolze Zuversicht und der Gedanke der Schönheit, dieser hohen Braut des Schöpfers. Welcher Abstand von ihnen bis zu den Wesen, die in ihrer Nähe sich versammelt haben, in jenen hohen, prachtglänzenden Sälen des Schlosses, dessen strahlende Fenster durch die Gebüsche des Parks blitzen, während Musik ihre üppigen Tonströme hinaussendet und der geheimnißvollen leisen Stimmen der Nacht spottet. Von schönen, blendend schönen Frauen, von Männern in goldstrotzenden Uniformen sind diese Säle angefüllt; Federn, Blumen, Diamanten, Perlen, Ordenssterne, das Alles schwimmt wie ein Meer von Glanz durcheinander, und schöner, stolzer noch als diese königlichen Stirnen, diese Perlen, diese Diamanten sind die Namen, welche tönen durch das Gesumme der Stimmen, die ruhmbedecktesten Namen, welche selbst Perlen sind, die die Geschichte vieler Jahrhunderte sich ums Haupt geflochten hat. In dem größten Saale gelte, welche durch das Grün der Gebüsche glänzten. Sie standen still und unbeweglich, diese marmornen Ideale, während alles Andere im Hauch der Nacht ein zweites, innigeres, tieferes Leben zu leben schien. Man hätte sie beneiden können, solche Wesen von voller harmonischer Bildung, die sich in Marmor gefestet hat, dem Schmerz und der Leidenschaft, und was entstellt und den Herzensfrieden stört, in ewiger Unveränderlichkeit enthoben. Auf ihren glatten Stirnen liegt der Kuß des Mondes, ihr Auge blickt unbeweglich in die Ferne, und um den Mund liegen stolze Zuversicht und der Gedanke der Schönheit, dieser hohen Braut des Schöpfers. Welcher Abstand von ihnen bis zu den Wesen, die in ihrer Nähe sich versammelt haben, in jenen hohen, prachtglänzenden Sälen des Schlosses, dessen strahlende Fenster durch die Gebüsche des Parks blitzen, während Musik ihre üppigen Tonströme hinaussendet und der geheimnißvollen leisen Stimmen der Nacht spottet. Von schönen, blendend schönen Frauen, von Männern in goldstrotzenden Uniformen sind diese Säle angefüllt; Federn, Blumen, Diamanten, Perlen, Ordenssterne, das Alles schwimmt wie ein Meer von Glanz durcheinander, und schöner, stolzer noch als diese königlichen Stirnen, diese Perlen, diese Diamanten sind die Namen, welche tönen durch das Gesumme der Stimmen, die ruhmbedecktesten Namen, welche selbst Perlen sind, die die Geschichte vieler Jahrhunderte sich ums Haupt geflochten hat. In dem größten Saale <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0078"/> gelte, welche durch das Grün der Gebüsche glänzten. Sie standen still und unbeweglich, diese marmornen Ideale, während alles Andere im Hauch der Nacht ein zweites, innigeres, tieferes Leben zu leben schien. Man hätte sie beneiden können, solche Wesen von voller harmonischer Bildung, die sich in Marmor gefestet hat, dem Schmerz und der Leidenschaft, und was entstellt und den Herzensfrieden stört, in ewiger Unveränderlichkeit enthoben. Auf ihren glatten Stirnen liegt der Kuß des Mondes, ihr Auge blickt unbeweglich in die Ferne, und um den Mund liegen stolze Zuversicht und der Gedanke der Schönheit, dieser hohen Braut des Schöpfers. Welcher Abstand von ihnen bis zu den Wesen, die in ihrer Nähe sich versammelt haben, in jenen hohen, prachtglänzenden Sälen des Schlosses, dessen strahlende Fenster durch die Gebüsche des Parks blitzen, während Musik ihre üppigen Tonströme hinaussendet und der geheimnißvollen leisen Stimmen der Nacht spottet. Von schönen, blendend schönen Frauen, von Männern in goldstrotzenden Uniformen sind diese Säle angefüllt; Federn, Blumen, Diamanten, Perlen, Ordenssterne, das Alles schwimmt wie ein Meer von Glanz durcheinander, und schöner, stolzer noch als diese königlichen Stirnen, diese Perlen, diese Diamanten sind die Namen, welche tönen durch das Gesumme der Stimmen, die ruhmbedecktesten Namen, welche selbst Perlen sind, die die Geschichte vieler Jahrhunderte sich ums Haupt geflochten hat. In dem größten Saale<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0078]
gelte, welche durch das Grün der Gebüsche glänzten. Sie standen still und unbeweglich, diese marmornen Ideale, während alles Andere im Hauch der Nacht ein zweites, innigeres, tieferes Leben zu leben schien. Man hätte sie beneiden können, solche Wesen von voller harmonischer Bildung, die sich in Marmor gefestet hat, dem Schmerz und der Leidenschaft, und was entstellt und den Herzensfrieden stört, in ewiger Unveränderlichkeit enthoben. Auf ihren glatten Stirnen liegt der Kuß des Mondes, ihr Auge blickt unbeweglich in die Ferne, und um den Mund liegen stolze Zuversicht und der Gedanke der Schönheit, dieser hohen Braut des Schöpfers. Welcher Abstand von ihnen bis zu den Wesen, die in ihrer Nähe sich versammelt haben, in jenen hohen, prachtglänzenden Sälen des Schlosses, dessen strahlende Fenster durch die Gebüsche des Parks blitzen, während Musik ihre üppigen Tonströme hinaussendet und der geheimnißvollen leisen Stimmen der Nacht spottet. Von schönen, blendend schönen Frauen, von Männern in goldstrotzenden Uniformen sind diese Säle angefüllt; Federn, Blumen, Diamanten, Perlen, Ordenssterne, das Alles schwimmt wie ein Meer von Glanz durcheinander, und schöner, stolzer noch als diese königlichen Stirnen, diese Perlen, diese Diamanten sind die Namen, welche tönen durch das Gesumme der Stimmen, die ruhmbedecktesten Namen, welche selbst Perlen sind, die die Geschichte vieler Jahrhunderte sich ums Haupt geflochten hat. In dem größten Saale
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Zitationshilfe: | Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/78>, abgerufen am 16.02.2025. |