Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.und erzähle, erkläre mir, was vorgefallen ist, während ich fern war! Leonore erzählte Alles, was sie wußte. Als sie geendet hatte, sprang er auf und ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. Er stieß gräuliche Verwünschungen aus, er fluchte auf Gott und die Welt, er fluchte auf seinen Vater. Leonore verbarg ihr Gesicht vor diesem furchtbaren Ausbruch seiner Leidenschaftlichkeit. Es lag etwas Erschütterndes darin, es war ein Vulcan, ein Flammenaushauch einer Seele, auf deren Grund Dinge lagen, von denen Leonore nie vorher eine Ahnung gehabt. Geh, sagte er endlich, und sorge, daß meine Frau nichts erfährt; ich will noch diesen Abend zum Landrentmeister und Windschrot für die nächsten Wochen von ihm miethen. Er wird es nicht abschlagen können. Unterdeß kann ich auf Mittel sinnen, unser schmachvoll vergeudetes Eigenthum wiederzuerringen. Denn das will ich, und müßte ich den Teufel zu Hülfe rufen! VI. Wir überspringen die nächsten vierundzwanzig Stunden. Es war eine milde, duftige Sommernacht. In dem Parke, in den wir den Leser führen, kräuselte ein leiser Lufthauch die Lindenwipfel und die Wellen des Weihers, der weiße, verschwiegene Gestalten spie- und erzähle, erkläre mir, was vorgefallen ist, während ich fern war! Leonore erzählte Alles, was sie wußte. Als sie geendet hatte, sprang er auf und ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. Er stieß gräuliche Verwünschungen aus, er fluchte auf Gott und die Welt, er fluchte auf seinen Vater. Leonore verbarg ihr Gesicht vor diesem furchtbaren Ausbruch seiner Leidenschaftlichkeit. Es lag etwas Erschütterndes darin, es war ein Vulcan, ein Flammenaushauch einer Seele, auf deren Grund Dinge lagen, von denen Leonore nie vorher eine Ahnung gehabt. Geh, sagte er endlich, und sorge, daß meine Frau nichts erfährt; ich will noch diesen Abend zum Landrentmeister und Windschrot für die nächsten Wochen von ihm miethen. Er wird es nicht abschlagen können. Unterdeß kann ich auf Mittel sinnen, unser schmachvoll vergeudetes Eigenthum wiederzuerringen. Denn das will ich, und müßte ich den Teufel zu Hülfe rufen! VI. Wir überspringen die nächsten vierundzwanzig Stunden. Es war eine milde, duftige Sommernacht. In dem Parke, in den wir den Leser führen, kräuselte ein leiser Lufthauch die Lindenwipfel und die Wellen des Weihers, der weiße, verschwiegene Gestalten spie- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0077"/> und erzähle, erkläre mir, was vorgefallen ist, während ich fern war!</p><lb/> <p>Leonore erzählte Alles, was sie wußte.</p><lb/> <p>Als sie geendet hatte, sprang er auf und ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. Er stieß gräuliche Verwünschungen aus, er fluchte auf Gott und die Welt, er fluchte auf seinen Vater. Leonore verbarg ihr Gesicht vor diesem furchtbaren Ausbruch seiner Leidenschaftlichkeit. Es lag etwas Erschütterndes darin, es war ein Vulcan, ein Flammenaushauch einer Seele, auf deren Grund Dinge lagen, von denen Leonore nie vorher eine Ahnung gehabt.</p><lb/> <p>Geh, sagte er endlich, und sorge, daß meine Frau nichts erfährt; ich will noch diesen Abend zum Landrentmeister und Windschrot für die nächsten Wochen von ihm miethen. Er wird es nicht abschlagen können. Unterdeß kann ich auf Mittel sinnen, unser schmachvoll vergeudetes Eigenthum wiederzuerringen. Denn das will ich, und müßte ich den Teufel zu Hülfe rufen!</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="6"> <head>VI.</head> <p>Wir überspringen die nächsten vierundzwanzig Stunden. Es war eine milde, duftige Sommernacht. In dem Parke, in den wir den Leser führen, kräuselte ein leiser Lufthauch die Lindenwipfel und die Wellen des Weihers, der weiße, verschwiegene Gestalten spie-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0077]
und erzähle, erkläre mir, was vorgefallen ist, während ich fern war!
Leonore erzählte Alles, was sie wußte.
Als sie geendet hatte, sprang er auf und ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab. Er stieß gräuliche Verwünschungen aus, er fluchte auf Gott und die Welt, er fluchte auf seinen Vater. Leonore verbarg ihr Gesicht vor diesem furchtbaren Ausbruch seiner Leidenschaftlichkeit. Es lag etwas Erschütterndes darin, es war ein Vulcan, ein Flammenaushauch einer Seele, auf deren Grund Dinge lagen, von denen Leonore nie vorher eine Ahnung gehabt.
Geh, sagte er endlich, und sorge, daß meine Frau nichts erfährt; ich will noch diesen Abend zum Landrentmeister und Windschrot für die nächsten Wochen von ihm miethen. Er wird es nicht abschlagen können. Unterdeß kann ich auf Mittel sinnen, unser schmachvoll vergeudetes Eigenthum wiederzuerringen. Denn das will ich, und müßte ich den Teufel zu Hülfe rufen!
VI. Wir überspringen die nächsten vierundzwanzig Stunden. Es war eine milde, duftige Sommernacht. In dem Parke, in den wir den Leser führen, kräuselte ein leiser Lufthauch die Lindenwipfel und die Wellen des Weihers, der weiße, verschwiegene Gestalten spie-
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Zitationshilfe: | Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/77>, abgerufen am 16.02.2025. |