Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

die Kammerfrau ist ein wahrer Drache. Die flucht und wettert und das Alles in dem abscheulichen Batavianisch, das keine Christenseele versteht! Sie will ein Zimmer für sich und nicht bei mir schlafen -- sie will ein Bett mit Vorhängen, zu Abend will sie frische Schellfische essen -- der Himmel weiß, was sie Alles will -- ich möchte darauf wetten, daß in der ganzen Mosel kein Schellfisch ist! Ich will gern auf ein paar Stühlen schlafen, aber --

So thu das, gute Gertrude, sagte Leonore ruhig, und was das Andere angeht, so erinnere dich, daß du nicht in meinen Diensten bist, um Batavianisch zu verstehen!

Das ist auch wahr -- Sie haben ganz Recht -- ich will sie schwätzen lassen -- sagen Sie, gnädiges Fräulein, ist sie -- Gertrude deutete über die Schulter, ist sie etwas kurzsichtig?

Ach nein -- sie scheint leider sehr gute Augen zu haben!

Fatal -- das ist recht albern von ihr, sagte Gertrude.

Als man zu Tische ging, erschien die junge Frau von Windschrot in einem kostbaren Kleide von gelbem Seidendamast, der ihre elegante und feine Gestalt mit schweren Falten umrauschte. Sie war ein zartes, vor Luft und Sonne gehütetes Gebilde, das auch unter der glühenden Zone ihres Geburtslandes den milchweißen Teint der holländischen Schönheiten bewahrt hatte. Mit-

die Kammerfrau ist ein wahrer Drache. Die flucht und wettert und das Alles in dem abscheulichen Batavianisch, das keine Christenseele versteht! Sie will ein Zimmer für sich und nicht bei mir schlafen — sie will ein Bett mit Vorhängen, zu Abend will sie frische Schellfische essen — der Himmel weiß, was sie Alles will — ich möchte darauf wetten, daß in der ganzen Mosel kein Schellfisch ist! Ich will gern auf ein paar Stühlen schlafen, aber —

So thu das, gute Gertrude, sagte Leonore ruhig, und was das Andere angeht, so erinnere dich, daß du nicht in meinen Diensten bist, um Batavianisch zu verstehen!

Das ist auch wahr — Sie haben ganz Recht — ich will sie schwätzen lassen — sagen Sie, gnädiges Fräulein, ist sie — Gertrude deutete über die Schulter, ist sie etwas kurzsichtig?

Ach nein — sie scheint leider sehr gute Augen zu haben!

Fatal — das ist recht albern von ihr, sagte Gertrude.

Als man zu Tische ging, erschien die junge Frau von Windschrot in einem kostbaren Kleide von gelbem Seidendamast, der ihre elegante und feine Gestalt mit schweren Falten umrauschte. Sie war ein zartes, vor Luft und Sonne gehütetes Gebilde, das auch unter der glühenden Zone ihres Geburtslandes den milchweißen Teint der holländischen Schönheiten bewahrt hatte. Mit-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="4">
        <p><pb facs="#f0056"/>
die Kammerfrau ist ein wahrer      Drache. Die flucht und wettert und das Alles in dem abscheulichen Batavianisch, das keine      Christenseele versteht! Sie will ein Zimmer für sich und nicht bei mir schlafen &#x2014; sie will ein      Bett mit Vorhängen, zu Abend will sie frische Schellfische essen &#x2014; der Himmel weiß, was sie      Alles will &#x2014; ich möchte darauf wetten, daß in der ganzen Mosel kein Schellfisch ist! Ich will      gern auf ein paar Stühlen schlafen, aber &#x2014;</p><lb/>
        <p>So thu das, gute Gertrude, sagte Leonore ruhig, und was das Andere angeht, so erinnere dich,      daß du nicht in meinen Diensten bist, um Batavianisch zu verstehen!</p><lb/>
        <p>Das ist auch wahr &#x2014; Sie haben ganz Recht &#x2014; ich will sie schwätzen lassen &#x2014; sagen Sie,      gnädiges Fräulein, ist sie &#x2014; Gertrude deutete über die Schulter, ist sie etwas kurzsichtig?</p><lb/>
        <p>Ach nein &#x2014; sie scheint leider sehr gute Augen zu haben!</p><lb/>
        <p>Fatal &#x2014; das ist recht albern von ihr, sagte Gertrude.</p><lb/>
        <p>Als man zu Tische ging, erschien die junge Frau von Windschrot in einem kostbaren Kleide von      gelbem Seidendamast, der ihre elegante und feine Gestalt mit schweren Falten umrauschte. Sie      war ein zartes, vor Luft und Sonne gehütetes Gebilde, das auch unter der glühenden Zone ihres      Geburtslandes den milchweißen Teint der holländischen Schönheiten bewahrt hatte. Mit-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0056] die Kammerfrau ist ein wahrer Drache. Die flucht und wettert und das Alles in dem abscheulichen Batavianisch, das keine Christenseele versteht! Sie will ein Zimmer für sich und nicht bei mir schlafen — sie will ein Bett mit Vorhängen, zu Abend will sie frische Schellfische essen — der Himmel weiß, was sie Alles will — ich möchte darauf wetten, daß in der ganzen Mosel kein Schellfisch ist! Ich will gern auf ein paar Stühlen schlafen, aber — So thu das, gute Gertrude, sagte Leonore ruhig, und was das Andere angeht, so erinnere dich, daß du nicht in meinen Diensten bist, um Batavianisch zu verstehen! Das ist auch wahr — Sie haben ganz Recht — ich will sie schwätzen lassen — sagen Sie, gnädiges Fräulein, ist sie — Gertrude deutete über die Schulter, ist sie etwas kurzsichtig? Ach nein — sie scheint leider sehr gute Augen zu haben! Fatal — das ist recht albern von ihr, sagte Gertrude. Als man zu Tische ging, erschien die junge Frau von Windschrot in einem kostbaren Kleide von gelbem Seidendamast, der ihre elegante und feine Gestalt mit schweren Falten umrauschte. Sie war ein zartes, vor Luft und Sonne gehütetes Gebilde, das auch unter der glühenden Zone ihres Geburtslandes den milchweißen Teint der holländischen Schönheiten bewahrt hatte. Mit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/56
Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/56>, abgerufen am 24.11.2024.