Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Man hatte das Hofthor erreicht. Joseph deutete mit der Hand auf die Gruppe derer, welche sich hier zum Empfang aufgestellt hatten -- und zwar mit einer gewissen nachlässigen und unbekümmerten Haltung, als ob sie damit gegen die Annahme protestiren wollten, es sei ihre Pflicht und Schuldigkeit, so dazustehen. Beamte meines Vaters, die Schulkinder, die uns empfangen -- sagte Joseph zu seiner Frau. Ohne sie zu begrüßen, ging er an ihnen vorüber. Der Pfarrer sah lächelnd den Verwalter an. Dieser flüsterte ihm eine Verwünschung nach. Wäre das Fräulein nicht -- ich wollte dich Höflichkeit lehren! murmelte der Verwalter. Du hast den Pfarrer und den Verwalter nicht begrüßt, Joseph, flüsterte Leonore erschrocken. Was brauch' ich? -- Ich erlaube dir, sie zu Tisch zu laden! Als man das Haus betrat, dessen Flur mit Blumen bestreut war, blickte die junge Frau überrascht die leeren Räume an und dann fragend in das Gesicht ihres Mannes. Joseph warf Leonoren einen Zornblick zu. Dieser stockte das Herz darunter. Lieber Joseph sagte sie leise -- zürne mir nicht -- du weißt, es ist so Vieles verdorben worden -- der Vater war in Verlegenheiten -- es waren durchaus keine Meubeln mehr da für diese Zimmer. Sie verdoppelte ihre Schritte, um die Gäste mit Man hatte das Hofthor erreicht. Joseph deutete mit der Hand auf die Gruppe derer, welche sich hier zum Empfang aufgestellt hatten — und zwar mit einer gewissen nachlässigen und unbekümmerten Haltung, als ob sie damit gegen die Annahme protestiren wollten, es sei ihre Pflicht und Schuldigkeit, so dazustehen. Beamte meines Vaters, die Schulkinder, die uns empfangen — sagte Joseph zu seiner Frau. Ohne sie zu begrüßen, ging er an ihnen vorüber. Der Pfarrer sah lächelnd den Verwalter an. Dieser flüsterte ihm eine Verwünschung nach. Wäre das Fräulein nicht — ich wollte dich Höflichkeit lehren! murmelte der Verwalter. Du hast den Pfarrer und den Verwalter nicht begrüßt, Joseph, flüsterte Leonore erschrocken. Was brauch' ich? — Ich erlaube dir, sie zu Tisch zu laden! Als man das Haus betrat, dessen Flur mit Blumen bestreut war, blickte die junge Frau überrascht die leeren Räume an und dann fragend in das Gesicht ihres Mannes. Joseph warf Leonoren einen Zornblick zu. Dieser stockte das Herz darunter. Lieber Joseph sagte sie leise — zürne mir nicht — du weißt, es ist so Vieles verdorben worden — der Vater war in Verlegenheiten — es waren durchaus keine Meubeln mehr da für diese Zimmer. Sie verdoppelte ihre Schritte, um die Gäste mit <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <pb facs="#f0053"/> <p>Man hatte das Hofthor erreicht. Joseph deutete mit der Hand auf die Gruppe derer, welche sich hier zum Empfang aufgestellt hatten — und zwar mit einer gewissen nachlässigen und unbekümmerten Haltung, als ob sie damit gegen die Annahme protestiren wollten, es sei ihre Pflicht und Schuldigkeit, so dazustehen.</p><lb/> <p>Beamte meines Vaters, die Schulkinder, die uns empfangen — sagte Joseph zu seiner Frau.</p><lb/> <p>Ohne sie zu begrüßen, ging er an ihnen vorüber.</p><lb/> <p>Der Pfarrer sah lächelnd den Verwalter an. Dieser flüsterte ihm eine Verwünschung nach.</p><lb/> <p>Wäre das Fräulein nicht — ich wollte dich Höflichkeit lehren! murmelte der Verwalter.</p><lb/> <p>Du hast den Pfarrer und den Verwalter nicht begrüßt, Joseph, flüsterte Leonore erschrocken.</p><lb/> <p>Was brauch' ich? — Ich erlaube dir, sie zu Tisch zu laden!</p><lb/> <p>Als man das Haus betrat, dessen Flur mit Blumen bestreut war, blickte die junge Frau überrascht die leeren Räume an und dann fragend in das Gesicht ihres Mannes.</p><lb/> <p>Joseph warf Leonoren einen Zornblick zu. Dieser stockte das Herz darunter.</p><lb/> <p>Lieber Joseph sagte sie leise — zürne mir nicht — du weißt, es ist so Vieles verdorben worden — der Vater war in Verlegenheiten — es waren durchaus keine Meubeln mehr da für diese Zimmer.</p><lb/> <p>Sie verdoppelte ihre Schritte, um die Gäste mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
Man hatte das Hofthor erreicht. Joseph deutete mit der Hand auf die Gruppe derer, welche sich hier zum Empfang aufgestellt hatten — und zwar mit einer gewissen nachlässigen und unbekümmerten Haltung, als ob sie damit gegen die Annahme protestiren wollten, es sei ihre Pflicht und Schuldigkeit, so dazustehen.
Beamte meines Vaters, die Schulkinder, die uns empfangen — sagte Joseph zu seiner Frau.
Ohne sie zu begrüßen, ging er an ihnen vorüber.
Der Pfarrer sah lächelnd den Verwalter an. Dieser flüsterte ihm eine Verwünschung nach.
Wäre das Fräulein nicht — ich wollte dich Höflichkeit lehren! murmelte der Verwalter.
Du hast den Pfarrer und den Verwalter nicht begrüßt, Joseph, flüsterte Leonore erschrocken.
Was brauch' ich? — Ich erlaube dir, sie zu Tisch zu laden!
Als man das Haus betrat, dessen Flur mit Blumen bestreut war, blickte die junge Frau überrascht die leeren Räume an und dann fragend in das Gesicht ihres Mannes.
Joseph warf Leonoren einen Zornblick zu. Dieser stockte das Herz darunter.
Lieber Joseph sagte sie leise — zürne mir nicht — du weißt, es ist so Vieles verdorben worden — der Vater war in Verlegenheiten — es waren durchaus keine Meubeln mehr da für diese Zimmer.
Sie verdoppelte ihre Schritte, um die Gäste mit
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(2017-03-16T11:53:40Z)
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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