Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ich möchte wissen, welchen Zauberspruch du für ihn hast. Er liebte meinen Bruder nicht. Freilich -- wenn man den gnädigen Junker früher mehr geliebt hätte, dann -- Ja, dann! sagte Leonore seufzend. Aber liebt, verehrt man Sie nicht desto mehr, Fräulein? Und da Sie unglücklich sind -- und doch bisher zu stolz, irgend Jemanden um eine Hülfe anzugehen -- die armen Leute im Dorfe ließen gern ihr Leben für Sie! Glauben Sie mir, Alles wird gut gehen. Der Verwalter wird vielleicht die besten Versprechungen geben; er wird es einen Tag lang aushalten, wieder den Diener zu machen, nachdem er so lange schon den Herrn hier im Hause gespielt: aber ein unfreundliches Wort meines Bruders -- mein Bruder ist so heftig -- ein Befehl, den er auf der Stelle ausführen soll und den er doch nicht ausführen darf -- und Alles ist verloren! Und du, Gertrude -- glaubst du, ich wüßte nicht, daß der Verwalter dir so wenig hold ist, wie irgend ein Mann einem Mädchen, das ihn ausgeschlagen hat? Gertrude erröthete: nun, wenn er nicht anders will, dann -- dann heirathe ich ihn trotz seiner fünf greulichen Buben. Gertrude -- das wolltest du thun? -- Leonore ergriff die Hand ihrer Dienerin; dann fuhr sie erleichterten Herzens fort: Nun, dann frisch ans Werk! mit Ich möchte wissen, welchen Zauberspruch du für ihn hast. Er liebte meinen Bruder nicht. Freilich — wenn man den gnädigen Junker früher mehr geliebt hätte, dann — Ja, dann! sagte Leonore seufzend. Aber liebt, verehrt man Sie nicht desto mehr, Fräulein? Und da Sie unglücklich sind — und doch bisher zu stolz, irgend Jemanden um eine Hülfe anzugehen — die armen Leute im Dorfe ließen gern ihr Leben für Sie! Glauben Sie mir, Alles wird gut gehen. Der Verwalter wird vielleicht die besten Versprechungen geben; er wird es einen Tag lang aushalten, wieder den Diener zu machen, nachdem er so lange schon den Herrn hier im Hause gespielt: aber ein unfreundliches Wort meines Bruders — mein Bruder ist so heftig — ein Befehl, den er auf der Stelle ausführen soll und den er doch nicht ausführen darf — und Alles ist verloren! Und du, Gertrude — glaubst du, ich wüßte nicht, daß der Verwalter dir so wenig hold ist, wie irgend ein Mann einem Mädchen, das ihn ausgeschlagen hat? Gertrude erröthete: nun, wenn er nicht anders will, dann — dann heirathe ich ihn trotz seiner fünf greulichen Buben. Gertrude — das wolltest du thun? — Leonore ergriff die Hand ihrer Dienerin; dann fuhr sie erleichterten Herzens fort: Nun, dann frisch ans Werk! mit <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <pb facs="#f0041"/> <p>Ich möchte wissen, welchen Zauberspruch du für ihn hast. Er liebte meinen Bruder nicht.</p><lb/> <p>Freilich — wenn man den gnädigen Junker früher mehr geliebt hätte, dann —</p><lb/> <p>Ja, dann! sagte Leonore seufzend.</p><lb/> <p>Aber liebt, verehrt man Sie nicht desto mehr, Fräulein? Und da Sie unglücklich sind — und doch bisher zu stolz, irgend Jemanden um eine Hülfe anzugehen — die armen Leute im Dorfe ließen gern ihr Leben für Sie! Glauben Sie mir, Alles wird gut gehen.</p><lb/> <p>Der Verwalter wird vielleicht die besten Versprechungen geben; er wird es einen Tag lang aushalten, wieder den Diener zu machen, nachdem er so lange schon den Herrn hier im Hause gespielt: aber ein unfreundliches Wort meines Bruders — mein Bruder ist so heftig — ein Befehl, den er auf der Stelle ausführen soll und den er doch nicht ausführen darf — und Alles ist verloren! Und du, Gertrude — glaubst du, ich wüßte nicht, daß der Verwalter dir so wenig hold ist, wie irgend ein Mann einem Mädchen, das ihn ausgeschlagen hat?</p><lb/> <p>Gertrude erröthete: nun, wenn er nicht anders will, dann — dann heirathe ich ihn trotz seiner fünf greulichen Buben.</p><lb/> <p>Gertrude — das wolltest du thun? — Leonore ergriff die Hand ihrer Dienerin; dann fuhr sie erleichterten Herzens fort: Nun, dann frisch ans Werk! mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
Ich möchte wissen, welchen Zauberspruch du für ihn hast. Er liebte meinen Bruder nicht.
Freilich — wenn man den gnädigen Junker früher mehr geliebt hätte, dann —
Ja, dann! sagte Leonore seufzend.
Aber liebt, verehrt man Sie nicht desto mehr, Fräulein? Und da Sie unglücklich sind — und doch bisher zu stolz, irgend Jemanden um eine Hülfe anzugehen — die armen Leute im Dorfe ließen gern ihr Leben für Sie! Glauben Sie mir, Alles wird gut gehen.
Der Verwalter wird vielleicht die besten Versprechungen geben; er wird es einen Tag lang aushalten, wieder den Diener zu machen, nachdem er so lange schon den Herrn hier im Hause gespielt: aber ein unfreundliches Wort meines Bruders — mein Bruder ist so heftig — ein Befehl, den er auf der Stelle ausführen soll und den er doch nicht ausführen darf — und Alles ist verloren! Und du, Gertrude — glaubst du, ich wüßte nicht, daß der Verwalter dir so wenig hold ist, wie irgend ein Mann einem Mädchen, das ihn ausgeschlagen hat?
Gertrude erröthete: nun, wenn er nicht anders will, dann — dann heirathe ich ihn trotz seiner fünf greulichen Buben.
Gertrude — das wolltest du thun? — Leonore ergriff die Hand ihrer Dienerin; dann fuhr sie erleichterten Herzens fort: Nun, dann frisch ans Werk! mit
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Zitationshilfe: | Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/41>, abgerufen am 16.02.2025. |