Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.krumme Bertram, der die Behendigkeit eines Affen zu haben schien und wie ein wahrer kleiner Waldteufel aussah, in possierlichen Sprüngen über die Büschel des Haidekrauts setzte, dem Bauernhause zu, in welchem nach wenigen Augenblicken die Flüchtlinge verschwunden waren. Sein Herr eilte eben so rasch in anderer Richtung fort, erreichte nach einer Weile das Ende der Haide und befand sich bald wieder unter den Aesten eines Waldes. Noch einige Minuten, und er stand am Rande eines Hohlwegs, der unter ihm mit tiefen, ausgefahrenen Geleisen thalwärts, nach der Mosel zu, sich hinabwand. Er spannte den Hahn seiner Büchse, warf sich dann auf das grüne Moos und hielt mit dem Ausdrucke größter Erwartung das Auge nach der Seite des Bauernhofes auf den Pfad gerichtet. Dies kecke Gesindel, das mir so am hellen lichten Tage ins Revier bricht! flüsterte er und fügte einen Fluch hinzu -- da hörte er helle kichernde Stimmen -- es waren auffallend helle Stimmen -- zwei Gestalten wurden sichtbar, welche jetzt um die nächste Wendung des Weges bogen -- zwei junge Mädchen mit rothen, erhitzten Gesichtern waren es. Leo schlug an; die Frauen blieben erschrocken stehen. Der Jäger sprang auf, glitt den Hang bis zum Wege hinunter und ging ihnen entgegen. Eine von ihnen hatte ein hübsches, aber unbedeutendes rundes Gesichtchen mit etwas zu großem Munde und schmal- krumme Bertram, der die Behendigkeit eines Affen zu haben schien und wie ein wahrer kleiner Waldteufel aussah, in possierlichen Sprüngen über die Büschel des Haidekrauts setzte, dem Bauernhause zu, in welchem nach wenigen Augenblicken die Flüchtlinge verschwunden waren. Sein Herr eilte eben so rasch in anderer Richtung fort, erreichte nach einer Weile das Ende der Haide und befand sich bald wieder unter den Aesten eines Waldes. Noch einige Minuten, und er stand am Rande eines Hohlwegs, der unter ihm mit tiefen, ausgefahrenen Geleisen thalwärts, nach der Mosel zu, sich hinabwand. Er spannte den Hahn seiner Büchse, warf sich dann auf das grüne Moos und hielt mit dem Ausdrucke größter Erwartung das Auge nach der Seite des Bauernhofes auf den Pfad gerichtet. Dies kecke Gesindel, das mir so am hellen lichten Tage ins Revier bricht! flüsterte er und fügte einen Fluch hinzu — da hörte er helle kichernde Stimmen — es waren auffallend helle Stimmen — zwei Gestalten wurden sichtbar, welche jetzt um die nächste Wendung des Weges bogen — zwei junge Mädchen mit rothen, erhitzten Gesichtern waren es. Leo schlug an; die Frauen blieben erschrocken stehen. Der Jäger sprang auf, glitt den Hang bis zum Wege hinunter und ging ihnen entgegen. Eine von ihnen hatte ein hübsches, aber unbedeutendes rundes Gesichtchen mit etwas zu großem Munde und schmal- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0011"/> krumme Bertram, der die Behendigkeit eines Affen zu haben schien und wie ein wahrer kleiner Waldteufel aussah, in possierlichen Sprüngen über die Büschel des Haidekrauts setzte, dem Bauernhause zu, in welchem nach wenigen Augenblicken die Flüchtlinge verschwunden waren. Sein Herr eilte eben so rasch in anderer Richtung fort, erreichte nach einer Weile das Ende der Haide und befand sich bald wieder unter den Aesten eines Waldes. Noch einige Minuten, und er stand am Rande eines Hohlwegs, der unter ihm mit tiefen, ausgefahrenen Geleisen thalwärts, nach der Mosel zu, sich hinabwand.</p><lb/> <p>Er spannte den Hahn seiner Büchse, warf sich dann auf das grüne Moos und hielt mit dem Ausdrucke größter Erwartung das Auge nach der Seite des Bauernhofes auf den Pfad gerichtet.</p><lb/> <p>Dies kecke Gesindel, das mir so am hellen lichten Tage ins Revier bricht! flüsterte er und fügte einen Fluch hinzu — da hörte er helle kichernde Stimmen — es waren auffallend helle Stimmen — zwei Gestalten wurden sichtbar, welche jetzt um die nächste Wendung des Weges bogen — zwei junge Mädchen mit rothen, erhitzten Gesichtern waren es.</p><lb/> <p>Leo schlug an; die Frauen blieben erschrocken stehen.</p><lb/> <p>Der Jäger sprang auf, glitt den Hang bis zum Wege hinunter und ging ihnen entgegen. Eine von ihnen hatte ein hübsches, aber unbedeutendes rundes Gesichtchen mit etwas zu großem Munde und schmal-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0011]
krumme Bertram, der die Behendigkeit eines Affen zu haben schien und wie ein wahrer kleiner Waldteufel aussah, in possierlichen Sprüngen über die Büschel des Haidekrauts setzte, dem Bauernhause zu, in welchem nach wenigen Augenblicken die Flüchtlinge verschwunden waren. Sein Herr eilte eben so rasch in anderer Richtung fort, erreichte nach einer Weile das Ende der Haide und befand sich bald wieder unter den Aesten eines Waldes. Noch einige Minuten, und er stand am Rande eines Hohlwegs, der unter ihm mit tiefen, ausgefahrenen Geleisen thalwärts, nach der Mosel zu, sich hinabwand.
Er spannte den Hahn seiner Büchse, warf sich dann auf das grüne Moos und hielt mit dem Ausdrucke größter Erwartung das Auge nach der Seite des Bauernhofes auf den Pfad gerichtet.
Dies kecke Gesindel, das mir so am hellen lichten Tage ins Revier bricht! flüsterte er und fügte einen Fluch hinzu — da hörte er helle kichernde Stimmen — es waren auffallend helle Stimmen — zwei Gestalten wurden sichtbar, welche jetzt um die nächste Wendung des Weges bogen — zwei junge Mädchen mit rothen, erhitzten Gesichtern waren es.
Leo schlug an; die Frauen blieben erschrocken stehen.
Der Jäger sprang auf, glitt den Hang bis zum Wege hinunter und ging ihnen entgegen. Eine von ihnen hatte ein hübsches, aber unbedeutendes rundes Gesichtchen mit etwas zu großem Munde und schmal-
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Zitationshilfe: | Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/11>, abgerufen am 16.02.2025. |