Schuchardt, Hugo: Ueber die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker. Berlin, 1885.dieselben Zeichencomplexe werden, je nachdem sie in dieselben Zeichencomplexe werden, je nachdem sie in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039" n="27"/> dieselben Zeichencomplexe werden, je nachdem sie in<lb/> seltneren oder gewöhnlicheren oder genauer gesagt dem<lb/> Schreiber und dem Empfänger weniger oder mehr ge-<lb/> läufigen Wörtern auftreten, sorgfältiger oder flüchtiger<lb/> dargestellt werden, und zwar auch unwillkürlich. Von<lb/> Bequemlichkeit ist überall die Rede wo die Ursachen<lb/> des Lautwandels in Erwägung gezogen werden; was<lb/> ist nun natürlicher als dass man es sich da am Ersten<lb/> bequem macht, wo in der Ueberhäufigkeit der stärkste<lb/> Antrieb dazu liegt und die Gefahr des Missverständ-<lb/> nisses am geringsten ist? Ich komme auf die oben<lb/> erwähnte Erweiterung des Lautwandels <hi rendition="#i">h</hi> = <hi rendition="#i">s</hi> von der<lb/> intervocalischen Position zur anlautenden zurück. Im<lb/> Jakutischen — <hi rendition="#k">Delbrück<hi rendition="#sub">3</hi></hi> ist es der die Aufmerk-<lb/> samkeit darauf lenkt — findet sich neben inlautendem<lb/> auch anlautendes intervocalisches <hi rendition="#i">s</hi> = <hi rendition="#i">h</hi>; in einem<lb/> einzigen Fall ist anlautendes <hi rendition="#i">s</hi> schlechtweg zu <hi rendition="#i">h</hi> ge-<lb/> worden, in <hi rendition="#i">suoch</hi> „nein“. Ist es nicht möglich dass<lb/> von diesem "Worte aus anl. <hi rendition="#i">s</hi> = <hi rendition="#i">h</hi> sich auf weniger<lb/> gewöhnliche ausdehne? Im Andalusischen wird im<lb/> Allgemeinen nur vorconsonantisches <hi rendition="#i">s</hi> zu <hi rendition="#i">h</hi>; es scheint,<lb/> wie ich (Gröber's Zeitschr. V, 319 f.) bemerkt habe,<lb/> zunächst im Auslaut die Tendenz zu weiterer Anwen-<lb/> dung aufzutauchen (<hi rendition="#i">loh amigos</hi> neben <hi rendition="#i">los amigos</hi>), dann<lb/> aber auch <hi rendition="#i">no heñó, si heñó</hi> vorzukommen. Bei Be-<lb/> jahung und Verneinung findet Manches statt was sonst<lb/> nicht; so hört man vom Italiener nicht selten statt <hi rendition="#i">sì</hi><lb/> ein geflüstertes <hi rendition="#i">si</hi> oder bloss <hi rendition="#i">s</hi>, und der lautgesetzliche<lb/> Schwund des <hi rendition="#i">n</hi> in span.-ital. <hi rendition="#i">no</hi> ist wenigstens mir<lb/> noch nicht klar. Wo es sich nicht um indigenen,<lb/> sondern um verpflanzten Lautwandel handelt, da wird<lb/> umgekehrt gerade in den gewöhnlichsten Wörtern die<lb/> alte Aussprache am Längsten bleiben. <hi rendition="#k">Kolosov</hi> (Замѣткн<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [27/0039]
dieselben Zeichencomplexe werden, je nachdem sie in
seltneren oder gewöhnlicheren oder genauer gesagt dem
Schreiber und dem Empfänger weniger oder mehr ge-
läufigen Wörtern auftreten, sorgfältiger oder flüchtiger
dargestellt werden, und zwar auch unwillkürlich. Von
Bequemlichkeit ist überall die Rede wo die Ursachen
des Lautwandels in Erwägung gezogen werden; was
ist nun natürlicher als dass man es sich da am Ersten
bequem macht, wo in der Ueberhäufigkeit der stärkste
Antrieb dazu liegt und die Gefahr des Missverständ-
nisses am geringsten ist? Ich komme auf die oben
erwähnte Erweiterung des Lautwandels h = s von der
intervocalischen Position zur anlautenden zurück. Im
Jakutischen — Delbrück3 ist es der die Aufmerk-
samkeit darauf lenkt — findet sich neben inlautendem
auch anlautendes intervocalisches s = h; in einem
einzigen Fall ist anlautendes s schlechtweg zu h ge-
worden, in suoch „nein“. Ist es nicht möglich dass
von diesem "Worte aus anl. s = h sich auf weniger
gewöhnliche ausdehne? Im Andalusischen wird im
Allgemeinen nur vorconsonantisches s zu h; es scheint,
wie ich (Gröber's Zeitschr. V, 319 f.) bemerkt habe,
zunächst im Auslaut die Tendenz zu weiterer Anwen-
dung aufzutauchen (loh amigos neben los amigos), dann
aber auch no heñó, si heñó vorzukommen. Bei Be-
jahung und Verneinung findet Manches statt was sonst
nicht; so hört man vom Italiener nicht selten statt sì
ein geflüstertes si oder bloss s, und der lautgesetzliche
Schwund des n in span.-ital. no ist wenigstens mir
noch nicht klar. Wo es sich nicht um indigenen,
sondern um verpflanzten Lautwandel handelt, da wird
umgekehrt gerade in den gewöhnlichsten Wörtern die
alte Aussprache am Längsten bleiben. Kolosov (Замѣткн
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Zitationshilfe: | Schuchardt, Hugo: Ueber die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker. Berlin, 1885, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuchardt_lautgesetze_1885/39>, abgerufen am 04.07.2024. |