Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899."Du fragst, wie er sich helfen soll, meine liebe Annie. Heiraten soll er, ein reiches Mädchen soll er freien, dann hat alle Not ein Ende," nahm der alte Graf unbefangen den Faden des Gesprächs von neuem auf. "Das wär' allerdings ein Ausweg," murmelte Annie und zog etwas spöttisch die Mundwinkel herunter. "Er braucht sich ja nicht zu verkaufen, und eine Mesalliance braucht er auch nicht zu machen, da soll er lieber Malteserritter werden, als seinen Nachkommen den Stammbaum verpfuschen. Aber es gibt ja auch liebenswürdige Komtessen, die Geld haben; warum soll er sich nicht in ein reiches, hübsches Mädel verlieben?" "Ja, warum nicht?" bekräftigte Annie ernsthaft; sie lächelte ein wenig schelmisch dazu, aber dabei wendete sie den Kopf ab aus Vorsicht. "Übrigens," erklärte sie plötzlich, "glaube ich, daß Zdenko auch mit einer armen Frau glücklich werden könnte. Er weiß einzuteilen, und er hat keine kostspieligen Bedürfnisse." "Das ist ja richtig," erklärte der alte Herr, "aber ein Swoyschin hat Verpflichtungen gegen seinen Stand, er soll sich nicht in kümmerlichen Verhältnissen glücklich fühlen." Die Augen des Grafen funkelten zornig. "Ich verlang' mir ja keinen rothschildischen „Du fragst, wie er sich helfen soll, meine liebe Annie. Heiraten soll er, ein reiches Mädchen soll er freien, dann hat alle Not ein Ende,“ nahm der alte Graf unbefangen den Faden des Gesprächs von neuem auf. „Das wär’ allerdings ein Ausweg,“ murmelte Annie und zog etwas spöttisch die Mundwinkel herunter. „Er braucht sich ja nicht zu verkaufen, und eine Mesalliance braucht er auch nicht zu machen, da soll er lieber Malteserritter werden, als seinen Nachkommen den Stammbaum verpfuschen. Aber es gibt ja auch liebenswürdige Komtessen, die Geld haben; warum soll er sich nicht in ein reiches, hübsches Mädel verlieben?“ „Ja, warum nicht?“ bekräftigte Annie ernsthaft; sie lächelte ein wenig schelmisch dazu, aber dabei wendete sie den Kopf ab aus Vorsicht. „Übrigens,“ erklärte sie plötzlich, „glaube ich, daß Zdenko auch mit einer armen Frau glücklich werden könnte. Er weiß einzuteilen, und er hat keine kostspieligen Bedürfnisse.“ „Das ist ja richtig,“ erklärte der alte Herr, „aber ein Swoyschin hat Verpflichtungen gegen seinen Stand, er soll sich nicht in kümmerlichen Verhältnissen glücklich fühlen.“ Die Augen des Grafen funkelten zornig. „Ich verlang’ mir ja keinen rothschildischen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0077" n="77"/> <p>„Du fragst, wie er sich helfen soll, meine liebe Annie. Heiraten soll er, ein reiches Mädchen soll er freien, dann hat alle Not ein Ende,“ nahm der alte Graf unbefangen den Faden des Gesprächs von neuem auf.</p> <p>„Das wär’ allerdings ein Ausweg,“ murmelte Annie und zog etwas spöttisch die Mundwinkel herunter.</p> <p>„Er braucht sich ja nicht zu verkaufen, und eine Mesalliance braucht er auch nicht zu machen, da soll er lieber Malteserritter werden, als seinen Nachkommen den Stammbaum verpfuschen. Aber es gibt ja auch liebenswürdige Komtessen, die Geld haben; warum soll er sich nicht in ein reiches, hübsches Mädel verlieben?“</p> <p>„Ja, warum nicht?“ bekräftigte Annie ernsthaft; sie lächelte ein wenig schelmisch dazu, aber dabei wendete sie den Kopf ab aus Vorsicht. „Übrigens,“ erklärte sie plötzlich, „glaube ich, daß Zdenko auch mit einer armen Frau glücklich werden könnte. Er weiß einzuteilen, und er hat keine kostspieligen Bedürfnisse.“</p> <p>„Das ist ja richtig,“ erklärte der alte Herr, „aber ein Swoyschin hat Verpflichtungen gegen seinen Stand, er soll sich nicht in kümmerlichen Verhältnissen glücklich fühlen.“ Die Augen des Grafen funkelten zornig. „Ich verlang’ mir ja keinen rothschildischen </p> </div> </body> </text> </TEI> [77/0077]
„Du fragst, wie er sich helfen soll, meine liebe Annie. Heiraten soll er, ein reiches Mädchen soll er freien, dann hat alle Not ein Ende,“ nahm der alte Graf unbefangen den Faden des Gesprächs von neuem auf.
„Das wär’ allerdings ein Ausweg,“ murmelte Annie und zog etwas spöttisch die Mundwinkel herunter.
„Er braucht sich ja nicht zu verkaufen, und eine Mesalliance braucht er auch nicht zu machen, da soll er lieber Malteserritter werden, als seinen Nachkommen den Stammbaum verpfuschen. Aber es gibt ja auch liebenswürdige Komtessen, die Geld haben; warum soll er sich nicht in ein reiches, hübsches Mädel verlieben?“
„Ja, warum nicht?“ bekräftigte Annie ernsthaft; sie lächelte ein wenig schelmisch dazu, aber dabei wendete sie den Kopf ab aus Vorsicht. „Übrigens,“ erklärte sie plötzlich, „glaube ich, daß Zdenko auch mit einer armen Frau glücklich werden könnte. Er weiß einzuteilen, und er hat keine kostspieligen Bedürfnisse.“
„Das ist ja richtig,“ erklärte der alte Herr, „aber ein Swoyschin hat Verpflichtungen gegen seinen Stand, er soll sich nicht in kümmerlichen Verhältnissen glücklich fühlen.“ Die Augen des Grafen funkelten zornig. „Ich verlang’ mir ja keinen rothschildischen
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Zitationshilfe: | Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/77>, abgerufen am 22.07.2024. |