Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899."Ruhe werden Sie nicht finden, die neue Reue wird die alte wecken, Sie werden sich elend durchs Leben schleppen und sich vor dem Jenseits scheuen!" fuhr sie immer mit ihrer eintönigen, eindringlichen Stimme fort, einer Stimme, die ihm wie ein eiserner Nagel in die Seele drang. "Während so ..." sie brach ab. "Während so ..." wiederholte er tonlos. "So, wenn Sie die paar elenden Wochen hindurch meine Schwester mit ein paar barmherzigen Lügen beruhigt, ihr das Sterben erleichtert haben, wird Ihnen von dieser Episode nichts übrig bleiben als die Erinnerung an eine großmütige That und das Gefühl einer großen Befreiung. Wählen Sie." * * * Zwei Minuten später kehrte der Adjutant zu seinem Obersten zurück. "Na, Swoyschin, das wäre überstanden," sagte der Oberst aufmunternd, "aber Sie haben die höchste Zeit zur Eisenbahn. Ein Glas Cognac auf die Reise?" "Ich reise nicht," murmelte Zdenko dumpf. "Wieso ... warum?" "Weil ich mich morgen früh mit Gina Ginori verloben muß," erwiderte er mit einem bösen Blick. Der Oberst fuhr auf. "Sie wollen sich verloben, morgen, mit Gina Ginori?" „Ruhe werden Sie nicht finden, die neue Reue wird die alte wecken, Sie werden sich elend durchs Leben schleppen und sich vor dem Jenseits scheuen!“ fuhr sie immer mit ihrer eintönigen, eindringlichen Stimme fort, einer Stimme, die ihm wie ein eiserner Nagel in die Seele drang. „Während so …“ sie brach ab. „Während so …“ wiederholte er tonlos. „So, wenn Sie die paar elenden Wochen hindurch meine Schwester mit ein paar barmherzigen Lügen beruhigt, ihr das Sterben erleichtert haben, wird Ihnen von dieser Episode nichts übrig bleiben als die Erinnerung an eine großmütige That und das Gefühl einer großen Befreiung. Wählen Sie.“ * * * Zwei Minuten später kehrte der Adjutant zu seinem Obersten zurück. „Na, Swoyschin, das wäre überstanden,“ sagte der Oberst aufmunternd, „aber Sie haben die höchste Zeit zur Eisenbahn. Ein Glas Cognac auf die Reise?“ „Ich reise nicht,“ murmelte Zdenko dumpf. „Wieso … warum?“ „Weil ich mich morgen früh mit Gina Ginori verloben muß,“ erwiderte er mit einem bösen Blick. Der Oberst fuhr auf. „Sie wollen sich verloben, morgen, mit Gina Ginori?“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0045" n="45"/> <p>„Ruhe werden Sie nicht finden, die neue Reue wird die alte wecken, Sie werden sich elend durchs Leben schleppen und sich vor dem Jenseits scheuen!“ fuhr sie immer mit ihrer eintönigen, eindringlichen Stimme fort, einer Stimme, die ihm wie ein eiserner Nagel in die Seele drang. „Während so …“ sie brach ab.</p> <p>„Während so …“ wiederholte er tonlos.</p> <p>„So, wenn Sie die paar elenden Wochen hindurch meine Schwester mit ein paar barmherzigen Lügen beruhigt, ihr das Sterben erleichtert haben, wird Ihnen von dieser Episode nichts übrig bleiben als die Erinnerung an eine großmütige That und das Gefühl einer großen Befreiung. Wählen Sie.“</p> <p rendition="#c">* <hi rendition="#sub">*</hi> *</p> <p>Zwei Minuten später kehrte der Adjutant zu seinem Obersten zurück.</p> <p>„Na, Swoyschin, das wäre überstanden,“ sagte der Oberst aufmunternd, „aber Sie haben die höchste Zeit zur Eisenbahn. Ein Glas Cognac auf die Reise?“</p> <p>„Ich reise nicht,“ murmelte Zdenko dumpf.</p> <p>„Wieso … warum?“</p> <p>„Weil ich mich morgen früh mit Gina Ginori verloben muß,“ erwiderte er mit einem bösen Blick.</p> <p>Der Oberst fuhr auf. „Sie wollen sich verloben, morgen, mit Gina Ginori?“</p> </div> </body> </text> </TEI> [45/0045]
„Ruhe werden Sie nicht finden, die neue Reue wird die alte wecken, Sie werden sich elend durchs Leben schleppen und sich vor dem Jenseits scheuen!“ fuhr sie immer mit ihrer eintönigen, eindringlichen Stimme fort, einer Stimme, die ihm wie ein eiserner Nagel in die Seele drang. „Während so …“ sie brach ab.
„Während so …“ wiederholte er tonlos.
„So, wenn Sie die paar elenden Wochen hindurch meine Schwester mit ein paar barmherzigen Lügen beruhigt, ihr das Sterben erleichtert haben, wird Ihnen von dieser Episode nichts übrig bleiben als die Erinnerung an eine großmütige That und das Gefühl einer großen Befreiung. Wählen Sie.“
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Zwei Minuten später kehrte der Adjutant zu seinem Obersten zurück.
„Na, Swoyschin, das wäre überstanden,“ sagte der Oberst aufmunternd, „aber Sie haben die höchste Zeit zur Eisenbahn. Ein Glas Cognac auf die Reise?“
„Ich reise nicht,“ murmelte Zdenko dumpf.
„Wieso … warum?“
„Weil ich mich morgen früh mit Gina Ginori verloben muß,“ erwiderte er mit einem bösen Blick.
Der Oberst fuhr auf. „Sie wollen sich verloben, morgen, mit Gina Ginori?“
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