Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wünschen Sie sich durchaus einen Buben, Swoyschin?" fragte der Feldmarschalllieutenant.

"Mir gilt's gleich," erklärte Zdenko, "einen Buben zum Erziehen, ein Mädel zum Verziehen, wie's der liebe Gott bestimmt, aber freuen thu' ich mich auf den kleinen Balg, fast wie meine Frau, und - das will etwas sagen. Gott behüt's sie, sie wird eine herzige Mama sein."

Also plaudernd schlenderten sie gemütlich die Hauptstraße des Ortes entlang. Swoyschin hatte noch bei seinem halb weggeschwemmten Meierhof zu thun, und die Herren begleiteten ihn.

Er plauderte in einem fort; er hatte sein gewinnendes, lebensfrisches Lächeln, seine warme Stimme wiedergefunden, er sprühte von Lebenslust.

Plötzlich, durch die helle Herbstluft klagten schaurige, langgezogene Töne, Trauerposaunen offenbar. Erst war's nur ein dumpfes Jammern, dann hörte man deutlich einen Trauermarsch, denselben Trauermarsch, mit dem die Leiche Gina Ginoris zu ihrer letzten Ruhestätte geleitet worden war. Dazu Ministranten, die Räucherfässer schwangen, Ministranten mit Bannern und Kreuzen, an denen schwarze Florbänder flatterten, der Geistliche im Trauerornat, endlich, von sechs Burschen getragen, von Kränzen bedeckt, der Sarg. Mit mäßiger Neugierde blickten Stahl und Bärenburg dem Zuge nach. Als er vorüber war

„Wünschen Sie sich durchaus einen Buben, Swoyschin?“ fragte der Feldmarschalllieutenant.

„Mir gilt’s gleich,“ erklärte Zdenko, „einen Buben zum Erziehen, ein Mädel zum Verziehen, wie’s der liebe Gott bestimmt, aber freuen thu’ ich mich auf den kleinen Balg, fast wie meine Frau, und – das will etwas sagen. Gott behüt’s sie, sie wird eine herzige Mama sein.“

Also plaudernd schlenderten sie gemütlich die Hauptstraße des Ortes entlang. Swoyschin hatte noch bei seinem halb weggeschwemmten Meierhof zu thun, und die Herren begleiteten ihn.

Er plauderte in einem fort; er hatte sein gewinnendes, lebensfrisches Lächeln, seine warme Stimme wiedergefunden, er sprühte von Lebenslust.

Plötzlich, durch die helle Herbstluft klagten schaurige, langgezogene Töne, Trauerposaunen offenbar. Erst war’s nur ein dumpfes Jammern, dann hörte man deutlich einen Trauermarsch, denselben Trauermarsch, mit dem die Leiche Gina Ginoris zu ihrer letzten Ruhestätte geleitet worden war. Dazu Ministranten, die Räucherfässer schwangen, Ministranten mit Bannern und Kreuzen, an denen schwarze Florbänder flatterten, der Geistliche im Trauerornat, endlich, von sechs Burschen getragen, von Kränzen bedeckt, der Sarg. Mit mäßiger Neugierde blickten Stahl und Bärenburg dem Zuge nach. Als er vorüber war

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0144" n="144"/>
        <p>&#x201E;Wünschen Sie sich durchaus einen Buben, Swoyschin?&#x201C; fragte der Feldmarschalllieutenant.</p>
        <p>&#x201E;Mir gilt&#x2019;s gleich,&#x201C; erklärte Zdenko, &#x201E;einen Buben zum Erziehen, ein Mädel zum Verziehen, wie&#x2019;s der liebe Gott bestimmt, aber freuen thu&#x2019; ich mich auf den kleinen Balg, fast wie meine Frau, und &#x2013; das will etwas sagen. Gott behüt&#x2019;s sie, sie wird eine herzige Mama sein.&#x201C;</p>
        <p>Also plaudernd schlenderten sie gemütlich die Hauptstraße des Ortes entlang. Swoyschin hatte noch bei seinem halb weggeschwemmten Meierhof zu thun, und die Herren begleiteten ihn.</p>
        <p>Er plauderte in einem fort; er hatte sein gewinnendes, lebensfrisches Lächeln, seine warme Stimme wiedergefunden, er sprühte von Lebenslust.</p>
        <p>Plötzlich, durch die helle Herbstluft klagten schaurige, langgezogene Töne, Trauerposaunen offenbar. Erst war&#x2019;s nur ein dumpfes Jammern, dann hörte man deutlich einen Trauermarsch, denselben Trauermarsch, mit dem die Leiche Gina Ginoris zu ihrer letzten Ruhestätte geleitet worden war. Dazu Ministranten, die Räucherfässer schwangen, Ministranten mit Bannern und Kreuzen, an denen schwarze Florbänder flatterten, der Geistliche im Trauerornat, endlich, von sechs Burschen getragen, von Kränzen bedeckt, der Sarg. Mit mäßiger Neugierde blickten Stahl und Bärenburg dem Zuge nach. Als er vorüber war
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0144] „Wünschen Sie sich durchaus einen Buben, Swoyschin?“ fragte der Feldmarschalllieutenant. „Mir gilt’s gleich,“ erklärte Zdenko, „einen Buben zum Erziehen, ein Mädel zum Verziehen, wie’s der liebe Gott bestimmt, aber freuen thu’ ich mich auf den kleinen Balg, fast wie meine Frau, und – das will etwas sagen. Gott behüt’s sie, sie wird eine herzige Mama sein.“ Also plaudernd schlenderten sie gemütlich die Hauptstraße des Ortes entlang. Swoyschin hatte noch bei seinem halb weggeschwemmten Meierhof zu thun, und die Herren begleiteten ihn. Er plauderte in einem fort; er hatte sein gewinnendes, lebensfrisches Lächeln, seine warme Stimme wiedergefunden, er sprühte von Lebenslust. Plötzlich, durch die helle Herbstluft klagten schaurige, langgezogene Töne, Trauerposaunen offenbar. Erst war’s nur ein dumpfes Jammern, dann hörte man deutlich einen Trauermarsch, denselben Trauermarsch, mit dem die Leiche Gina Ginoris zu ihrer letzten Ruhestätte geleitet worden war. Dazu Ministranten, die Räucherfässer schwangen, Ministranten mit Bannern und Kreuzen, an denen schwarze Florbänder flatterten, der Geistliche im Trauerornat, endlich, von sechs Burschen getragen, von Kränzen bedeckt, der Sarg. Mit mäßiger Neugierde blickten Stahl und Bärenburg dem Zuge nach. Als er vorüber war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/144
Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/144>, abgerufen am 23.11.2024.