Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.Gab es überhaupt ein solches Wort? Er fragte sich's. Er war der Linkischere von beiden. "Läute, Zdenko, damit sie uns Wasser in die Vasen bringen," sagte Annie. "Ja, ja, gleich, nur ..." er stockte. "Und dreh das elektrische Licht auf; es wird dunkel." "Gleich, ich kann den Knopf nicht finden, Annie!" Er war ganz nahe an sie herangetreten. "Zdenko!" "Du denkst schlecht von mir." "Nein, ich denke nur, daß du ein sehr schwacher Mensch bist, der seines Schicksals nicht Herr werden konnte." "Annie!" "Ich hätt's nicht sagen sollen, Zdenko; man hat nicht das Recht, so aufrichtig zu sein!" "Mit Sterbenden soll man immer aufrichtig sein, und mir ist's, als stünde ich an der Schwelle der Ewigkeit. Was aus mir wird von morgen an, kann ich nicht ausdenken; mir ist's, als hätt' ich nur mehr bis morgen zu leben!" "Zdenko, das ist entsetzlich! Kein Ausweg ... keiner? ..." "Nein, keiner!" Eine lange, dumpfe Pause. "Wirst du morgen in der Kirche für mich beten, Annie?" murmelte Swoyschin. Gab es überhaupt ein solches Wort? Er fragte sich’s. Er war der Linkischere von beiden. „Läute, Zdenko, damit sie uns Wasser in die Vasen bringen,“ sagte Annie. „Ja, ja, gleich, nur …“ er stockte. „Und dreh das elektrische Licht auf; es wird dunkel.“ „Gleich, ich kann den Knopf nicht finden, Annie!“ Er war ganz nahe an sie herangetreten. „Zdenko!“ „Du denkst schlecht von mir.“ „Nein, ich denke nur, daß du ein sehr schwacher Mensch bist, der seines Schicksals nicht Herr werden konnte.“ „Annie!“ „Ich hätt’s nicht sagen sollen, Zdenko; man hat nicht das Recht, so aufrichtig zu sein!“ „Mit Sterbenden soll man immer aufrichtig sein, und mir ist’s, als stünde ich an der Schwelle der Ewigkeit. Was aus mir wird von morgen an, kann ich nicht ausdenken; mir ist’s, als hätt’ ich nur mehr bis morgen zu leben!“ „Zdenko, das ist entsetzlich! Kein Ausweg … keiner? …“ „Nein, keiner!“ Eine lange, dumpfe Pause. „Wirst du morgen in der Kirche für mich beten, Annie?“ murmelte Swoyschin. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0114" n="114"/> <p>Gab es überhaupt ein solches Wort? Er fragte sich’s. Er war der Linkischere von beiden.</p> <p>„Läute, Zdenko, damit sie uns Wasser in die Vasen bringen,“ sagte Annie.</p> <p>„Ja, ja, gleich, nur …“ er stockte.</p> <p>„Und dreh das elektrische Licht auf; es wird dunkel.“</p> <p>„Gleich, ich kann den Knopf nicht finden, Annie!“ Er war ganz nahe an sie herangetreten.</p> <p>„Zdenko!“</p> <p>„Du denkst schlecht von mir.“</p> <p>„Nein, ich denke nur, daß du ein sehr schwacher Mensch bist, der seines Schicksals nicht Herr werden konnte.“</p> <p>„Annie!“</p> <p>„Ich hätt’s nicht sagen sollen, Zdenko; man hat nicht das Recht, so aufrichtig zu sein!“</p> <p>„Mit Sterbenden soll man immer aufrichtig sein, und mir ist’s, als stünde ich an der Schwelle der Ewigkeit. Was aus mir wird von morgen an, kann ich nicht ausdenken; mir ist’s, als hätt’ ich nur mehr bis morgen zu leben!“</p> <p>„Zdenko, das ist entsetzlich! Kein Ausweg … keiner? …“</p> <p>„Nein, keiner!“</p> <p>Eine lange, dumpfe Pause. „Wirst du morgen in der Kirche für mich beten, Annie?“ murmelte Swoyschin.</p> </div> </body> </text> </TEI> [114/0114]
Gab es überhaupt ein solches Wort? Er fragte sich’s. Er war der Linkischere von beiden.
„Läute, Zdenko, damit sie uns Wasser in die Vasen bringen,“ sagte Annie.
„Ja, ja, gleich, nur …“ er stockte.
„Und dreh das elektrische Licht auf; es wird dunkel.“
„Gleich, ich kann den Knopf nicht finden, Annie!“ Er war ganz nahe an sie herangetreten.
„Zdenko!“
„Du denkst schlecht von mir.“
„Nein, ich denke nur, daß du ein sehr schwacher Mensch bist, der seines Schicksals nicht Herr werden konnte.“
„Annie!“
„Ich hätt’s nicht sagen sollen, Zdenko; man hat nicht das Recht, so aufrichtig zu sein!“
„Mit Sterbenden soll man immer aufrichtig sein, und mir ist’s, als stünde ich an der Schwelle der Ewigkeit. Was aus mir wird von morgen an, kann ich nicht ausdenken; mir ist’s, als hätt’ ich nur mehr bis morgen zu leben!“
„Zdenko, das ist entsetzlich! Kein Ausweg … keiner? …“
„Nein, keiner!“
Eine lange, dumpfe Pause. „Wirst du morgen in der Kirche für mich beten, Annie?“ murmelte Swoyschin.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |