Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.machte sie immer ein sehr vergnügtes Gesicht. Aber die Schatten unter ihren Augen wurden täglich tiefer, die Schatten, welche schlaflose Nächte unter den Augen der Menschen zurücklassen. * * * Wenn Annie der Braut ihre Abneigung offen bezeigte, so überbot sich im Gegenteil die Gräfin Therese Swoyschin, welche indessen mit Annie nach Zdibitz übersiedelt war, in anticipierten Schwiegermutterzärtlichkeiten, und Gina, welche die Absicht der selbstsüchtigen Frau ganz genau durchschauen mußte, ließ sie gewähren. Sie pflegte die Freundschaft der Gräfin Swoyschin, wie man die Freundschaft eines mächtigen Bundesgenossen pflegt. Einen ganzen Vormittag blieben die Gräfin Swoyschin und Gina unsichtbar. Als aber jemand fragte, ob sich die Braut wieder angegriffen fühlte, hieß es: durchaus nicht, im Gegenteil erholt sich Gina jetzt merkwürdig, aber die Damen haben etwas Geschäftliches miteinander abzumachen. Hierauf bemächtigte sich aller Anwesenden eine große Verlegenheit, und Graf Zell, welcher die Auskunft gegeben hatte, lächelte vielsagend. * * * Und ein Tag folgte dem andern, und alle Morgen machte sie immer ein sehr vergnügtes Gesicht. Aber die Schatten unter ihren Augen wurden täglich tiefer, die Schatten, welche schlaflose Nächte unter den Augen der Menschen zurücklassen. * * * Wenn Annie der Braut ihre Abneigung offen bezeigte, so überbot sich im Gegenteil die Gräfin Therese Swoyschin, welche indessen mit Annie nach Zdibitz übersiedelt war, in anticipierten Schwiegermutterzärtlichkeiten, und Gina, welche die Absicht der selbstsüchtigen Frau ganz genau durchschauen mußte, ließ sie gewähren. Sie pflegte die Freundschaft der Gräfin Swoyschin, wie man die Freundschaft eines mächtigen Bundesgenossen pflegt. Einen ganzen Vormittag blieben die Gräfin Swoyschin und Gina unsichtbar. Als aber jemand fragte, ob sich die Braut wieder angegriffen fühlte, hieß es: durchaus nicht, im Gegenteil erholt sich Gina jetzt merkwürdig, aber die Damen haben etwas Geschäftliches miteinander abzumachen. Hierauf bemächtigte sich aller Anwesenden eine große Verlegenheit, und Graf Zell, welcher die Auskunft gegeben hatte, lächelte vielsagend. * * * Und ein Tag folgte dem andern, und alle Morgen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0107" n="107"/> machte sie immer ein sehr vergnügtes Gesicht. Aber die Schatten unter ihren Augen wurden täglich tiefer, die Schatten, welche schlaflose Nächte unter den Augen der Menschen zurücklassen.</p> <p rendition="#c">* <hi rendition="#sub">*</hi> *</p> <p>Wenn Annie der Braut ihre Abneigung offen bezeigte, so überbot sich im Gegenteil die Gräfin Therese Swoyschin, welche indessen mit Annie nach Zdibitz übersiedelt war, in anticipierten Schwiegermutterzärtlichkeiten, und Gina, welche die Absicht der selbstsüchtigen Frau ganz genau durchschauen mußte, ließ sie gewähren. Sie pflegte die Freundschaft der Gräfin Swoyschin, wie man die Freundschaft eines mächtigen Bundesgenossen pflegt.</p> <p>Einen ganzen Vormittag blieben die Gräfin Swoyschin und Gina unsichtbar. Als aber jemand fragte, ob sich die Braut wieder angegriffen fühlte, hieß es: durchaus nicht, im Gegenteil erholt sich Gina jetzt merkwürdig, aber die Damen haben etwas Geschäftliches miteinander abzumachen. Hierauf bemächtigte sich aller Anwesenden eine große Verlegenheit, und Graf Zell, welcher die Auskunft gegeben hatte, lächelte vielsagend.</p> <p rendition="#c">* <hi rendition="#sub">*</hi> *</p> <p>Und ein Tag folgte dem andern, und alle Morgen </p> </div> </body> </text> </TEI> [107/0107]
machte sie immer ein sehr vergnügtes Gesicht. Aber die Schatten unter ihren Augen wurden täglich tiefer, die Schatten, welche schlaflose Nächte unter den Augen der Menschen zurücklassen.
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Wenn Annie der Braut ihre Abneigung offen bezeigte, so überbot sich im Gegenteil die Gräfin Therese Swoyschin, welche indessen mit Annie nach Zdibitz übersiedelt war, in anticipierten Schwiegermutterzärtlichkeiten, und Gina, welche die Absicht der selbstsüchtigen Frau ganz genau durchschauen mußte, ließ sie gewähren. Sie pflegte die Freundschaft der Gräfin Swoyschin, wie man die Freundschaft eines mächtigen Bundesgenossen pflegt.
Einen ganzen Vormittag blieben die Gräfin Swoyschin und Gina unsichtbar. Als aber jemand fragte, ob sich die Braut wieder angegriffen fühlte, hieß es: durchaus nicht, im Gegenteil erholt sich Gina jetzt merkwürdig, aber die Damen haben etwas Geschäftliches miteinander abzumachen. Hierauf bemächtigte sich aller Anwesenden eine große Verlegenheit, und Graf Zell, welcher die Auskunft gegeben hatte, lächelte vielsagend.
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Und ein Tag folgte dem andern, und alle Morgen
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