Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899.dünne Eis gewagt hatte, vor dem sie ausdrücklich gewarnt worden war. Es gelang ihnen auch, ihn zu beruhigen. Aber so fest ihre Behauptungen klangen, daß es lächerlich sei, die Katastrophe irgend einem andern Umstand als ein einem unglücklichen Zufall beizumessen, - im Herzen stand's bei ihm fest, daß die arme Emmi Swoboda freiwillig in den Tod gegangen war. Im Grunde genommen verwunderten sie sich darüber, daß Swoyschin sich die Sache verhältnismäßig rasch ausreden ließ, daß er sich früher, als man erwarten durfte, beruhigte. Am meisten wunderte sich der Oberst. Doch hatte er schon einmal, als ihm der junge Mann seine Geständnisse hinsichtlich der unglücklichen Lydia Bökel-Katastrophe gemacht hatte, bemerkt, daß Swoyschin mit seinen selbstquälerischen Vorwürfen verhältnismäßig leicht fertig geworden war. Es hatte ihm schon damals das ideale Bild seines liebsten Offiziers gestört. Jetzt störte es ihn wieder. Er tröstete sich damit, daß sich in dieser energischen Abwehr des Schuldbewußtseins der Selbsterhaltungstrieb einer sehr sensitiven Natur äußerte, die das Schuldbewußtsein entweder negieren oder daran zu Grunde gehen müßte. Der Selbsterhaltungstrieb war freilich an und für sich keine besonders schöne Eigenschaft, aber einem, der sein Leben so kühn aufs Spiel dünne Eis gewagt hatte, vor dem sie ausdrücklich gewarnt worden war. Es gelang ihnen auch, ihn zu beruhigen. Aber so fest ihre Behauptungen klangen, daß es lächerlich sei, die Katastrophe irgend einem andern Umstand als ein einem unglücklichen Zufall beizumessen, – im Herzen stand’s bei ihm fest, daß die arme Emmi Swoboda freiwillig in den Tod gegangen war. Im Grunde genommen verwunderten sie sich darüber, daß Swoyschin sich die Sache verhältnismäßig rasch ausreden ließ, daß er sich früher, als man erwarten durfte, beruhigte. Am meisten wunderte sich der Oberst. Doch hatte er schon einmal, als ihm der junge Mann seine Geständnisse hinsichtlich der unglücklichen Lydia Bökel-Katastrophe gemacht hatte, bemerkt, daß Swoyschin mit seinen selbstquälerischen Vorwürfen verhältnismäßig leicht fertig geworden war. Es hatte ihm schon damals das ideale Bild seines liebsten Offiziers gestört. Jetzt störte es ihn wieder. Er tröstete sich damit, daß sich in dieser energischen Abwehr des Schuldbewußtseins der Selbsterhaltungstrieb einer sehr sensitiven Natur äußerte, die das Schuldbewußtsein entweder negieren oder daran zu Grunde gehen müßte. Der Selbsterhaltungstrieb war freilich an und für sich keine besonders schöne Eigenschaft, aber einem, der sein Leben so kühn aufs Spiel <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0083" n="82"/> dünne Eis gewagt hatte, vor dem sie ausdrücklich gewarnt worden war.</p> <p>Es gelang ihnen auch, ihn zu beruhigen. Aber so fest ihre Behauptungen klangen, daß es lächerlich sei, die Katastrophe irgend einem andern Umstand als ein einem unglücklichen Zufall beizumessen, – im Herzen stand’s bei ihm fest, daß die arme Emmi Swoboda freiwillig in den Tod gegangen war.</p> <p>Im Grunde genommen verwunderten sie sich darüber, daß Swoyschin sich die Sache verhältnismäßig rasch ausreden ließ, daß er sich früher, als man erwarten durfte, beruhigte.</p> <p>Am meisten wunderte sich der Oberst. Doch hatte er schon einmal, als ihm der junge Mann seine Geständnisse hinsichtlich der unglücklichen Lydia Bökel-Katastrophe gemacht hatte, bemerkt, daß Swoyschin mit seinen selbstquälerischen Vorwürfen verhältnismäßig leicht fertig geworden war.</p> <p>Es hatte ihm schon damals das ideale Bild seines liebsten Offiziers gestört. Jetzt störte es ihn wieder. Er tröstete sich damit, daß sich in dieser energischen Abwehr des Schuldbewußtseins der Selbsterhaltungstrieb einer sehr sensitiven Natur äußerte, die das Schuldbewußtsein entweder negieren oder daran zu Grunde gehen müßte. Der Selbsterhaltungstrieb war freilich an und für sich keine besonders schöne Eigenschaft, aber einem, der sein Leben so kühn aufs Spiel </p> </div> </body> </text> </TEI> [82/0083]
dünne Eis gewagt hatte, vor dem sie ausdrücklich gewarnt worden war.
Es gelang ihnen auch, ihn zu beruhigen. Aber so fest ihre Behauptungen klangen, daß es lächerlich sei, die Katastrophe irgend einem andern Umstand als ein einem unglücklichen Zufall beizumessen, – im Herzen stand’s bei ihm fest, daß die arme Emmi Swoboda freiwillig in den Tod gegangen war.
Im Grunde genommen verwunderten sie sich darüber, daß Swoyschin sich die Sache verhältnismäßig rasch ausreden ließ, daß er sich früher, als man erwarten durfte, beruhigte.
Am meisten wunderte sich der Oberst. Doch hatte er schon einmal, als ihm der junge Mann seine Geständnisse hinsichtlich der unglücklichen Lydia Bökel-Katastrophe gemacht hatte, bemerkt, daß Swoyschin mit seinen selbstquälerischen Vorwürfen verhältnismäßig leicht fertig geworden war.
Es hatte ihm schon damals das ideale Bild seines liebsten Offiziers gestört. Jetzt störte es ihn wieder. Er tröstete sich damit, daß sich in dieser energischen Abwehr des Schuldbewußtseins der Selbsterhaltungstrieb einer sehr sensitiven Natur äußerte, die das Schuldbewußtsein entweder negieren oder daran zu Grunde gehen müßte. Der Selbsterhaltungstrieb war freilich an und für sich keine besonders schöne Eigenschaft, aber einem, der sein Leben so kühn aufs Spiel
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