Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899.Eine lange Pause folgte. Swoyschin hatte die beiden Ellbogen auf den Tisch gestützt und hielt sich die Hände übers Gesicht. "Gegen das Mädchen ist auch nicht viel zu sagen, Herr Oberst," murmelte er. "Sie war ein armer Narr. Wissen Sie, was die ganze Sache auf die Spitze trieb?" "Wie sollt' ich?" "Nun ... es ist ein Fall, den ich Ihrem Urteil unterbreiten möchte!" "Ich stehe zu Diensten," versicherte der Oberst. "Es handelt sich natürlich durchaus nicht um eine Person mit tadellosen Antecedenzien - das ist ausgemacht. Sie war leichtsinnig, wie sie alle sind, und nebstbei ein wenig sentimental. Sie sehnte sich nach reiner Luft - nach anständigen Lebensbedingungen. Ich unterstützte sie darin und behandelte sie mit einer gewissen Rücksicht, die sie sich als Achtung auslegte. Unsre Beziehungen liefen daneben her wie sie konnten. Wie alle diese Art von Mädchen, wenn sie sich und das Leben nicht einfach nüchtern und cynisch auffassen, war sie total konfus." Der Oberst schüttelte den Kopf. "Wie Sie sich auskennen, mein Lieber," bemerkte er; "um so zu generalisieren, müssen Sie nach der Richtung hin ausgiebige kulturhistorische Studien gemacht haben." Swoyschin errötete ein wenig und fuhr fort: Eine lange Pause folgte. Swoyschin hatte die beiden Ellbogen auf den Tisch gestützt und hielt sich die Hände übers Gesicht. „Gegen das Mädchen ist auch nicht viel zu sagen, Herr Oberst,“ murmelte er. „Sie war ein armer Narr. Wissen Sie, was die ganze Sache auf die Spitze trieb?“ „Wie sollt’ ich?“ „Nun … es ist ein Fall, den ich Ihrem Urteil unterbreiten möchte!“ „Ich stehe zu Diensten,“ versicherte der Oberst. „Es handelt sich natürlich durchaus nicht um eine Person mit tadellosen Antecedenzien – das ist ausgemacht. Sie war leichtsinnig, wie sie alle sind, und nebstbei ein wenig sentimental. Sie sehnte sich nach reiner Luft – nach anständigen Lebensbedingungen. Ich unterstützte sie darin und behandelte sie mit einer gewissen Rücksicht, die sie sich als Achtung auslegte. Unsre Beziehungen liefen daneben her wie sie konnten. Wie alle diese Art von Mädchen, wenn sie sich und das Leben nicht einfach nüchtern und cynisch auffassen, war sie total konfus.“ Der Oberst schüttelte den Kopf. „Wie Sie sich auskennen, mein Lieber,“ bemerkte er; „um so zu generalisieren, müssen Sie nach der Richtung hin ausgiebige kulturhistorische Studien gemacht haben.“ Swoyschin errötete ein wenig und fuhr fort: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0059" n="58"/> <p>Eine lange Pause folgte. Swoyschin hatte die beiden Ellbogen auf den Tisch gestützt und hielt sich die Hände übers Gesicht. „Gegen das Mädchen ist auch nicht viel zu sagen, Herr Oberst,“ murmelte er. „Sie war ein armer Narr. Wissen Sie, was die ganze Sache auf die Spitze trieb?“</p> <p>„Wie sollt’ ich?“</p> <p>„Nun … es ist ein Fall, den ich Ihrem Urteil unterbreiten möchte!“</p> <p>„Ich stehe zu Diensten,“ versicherte der Oberst.</p> <p>„Es handelt sich natürlich durchaus nicht um eine Person mit tadellosen Antecedenzien – das ist ausgemacht. Sie war leichtsinnig, wie sie alle sind, und nebstbei ein wenig sentimental. Sie sehnte sich nach reiner Luft – nach anständigen Lebensbedingungen. Ich unterstützte sie darin und behandelte sie mit einer gewissen Rücksicht, die sie sich als Achtung auslegte. Unsre Beziehungen liefen daneben her wie sie konnten. Wie alle diese Art von Mädchen, wenn sie sich und das Leben nicht einfach nüchtern und cynisch auffassen, war sie total konfus.“</p> <p>Der Oberst schüttelte den Kopf. „Wie Sie sich auskennen, mein Lieber,“ bemerkte er; „um so zu generalisieren, müssen Sie nach der Richtung hin ausgiebige kulturhistorische Studien gemacht haben.“</p> <p>Swoyschin errötete ein wenig und fuhr fort: </p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0059]
Eine lange Pause folgte. Swoyschin hatte die beiden Ellbogen auf den Tisch gestützt und hielt sich die Hände übers Gesicht. „Gegen das Mädchen ist auch nicht viel zu sagen, Herr Oberst,“ murmelte er. „Sie war ein armer Narr. Wissen Sie, was die ganze Sache auf die Spitze trieb?“
„Wie sollt’ ich?“
„Nun … es ist ein Fall, den ich Ihrem Urteil unterbreiten möchte!“
„Ich stehe zu Diensten,“ versicherte der Oberst.
„Es handelt sich natürlich durchaus nicht um eine Person mit tadellosen Antecedenzien – das ist ausgemacht. Sie war leichtsinnig, wie sie alle sind, und nebstbei ein wenig sentimental. Sie sehnte sich nach reiner Luft – nach anständigen Lebensbedingungen. Ich unterstützte sie darin und behandelte sie mit einer gewissen Rücksicht, die sie sich als Achtung auslegte. Unsre Beziehungen liefen daneben her wie sie konnten. Wie alle diese Art von Mädchen, wenn sie sich und das Leben nicht einfach nüchtern und cynisch auffassen, war sie total konfus.“
Der Oberst schüttelte den Kopf. „Wie Sie sich auskennen, mein Lieber,“ bemerkte er; „um so zu generalisieren, müssen Sie nach der Richtung hin ausgiebige kulturhistorische Studien gemacht haben.“
Swoyschin errötete ein wenig und fuhr fort:
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Zitationshilfe: | Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber01_1899/59>, abgerufen am 01.03.2025. |