Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899."Und glauben Sie, um mit Bärenburg zu reden, daß Ihre Freundschaft sie reich machen wird? Bärenburg hatte recht, von Anfang an hatte er recht in diesem Fall. Und ich war vernagelt. Das einzige, was Sie bewirkt haben durch Ihre Freundschaft, ist, daß sich die junge Frau über ihre Armut klar geworden ist. Wissen Sie, wie Sie mir vorkommen, Swoyschin? Wie die gewissen grausamen Volksbeglücker, die durch ihre thöricht verfrühten Bildungsversuche dem Volk die Fähigkeit abgewöhnen, sich in seinen kleinen Verhältnissen wohl zu fühlen!["] "Die arme Swoboda ist vielleicht zu gut für ihre Stellung. Sei's darum! Immerhin hatte sie sich an die dumpfe Luft, in der ihre Existenz sich abspann, gewöhnt, hatte sich gewöhnt, ihr Leben hinter trüben Fensterscheiben abzuwerkeln, aus denen es keinen Ausblick gab. Sie haben die Fensterscheiben für sie gesäubert, so daß sie einen Ausblick in die große, sich draußen ausbreitende Weltschönheit gewonnen hat. Geöffnet aber haben Sie das Fenster für sie nicht. Und jetzt ist sie wie ein armer, gefangener Vogel, der die Grenzen seiner Gefangenschaft nicht begreift und sich gegen das Glas, das er nicht sieht, den Kopf wundstößt!" Der Oberst hielt inne - der Adjutant sah düster vor sich hin. "Etwas Wahres ist wohl an dem, was Sie sagen, Herr Oberst," murmelte er, "ich muß zugeben, „Und glauben Sie, um mit Bärenburg zu reden, daß Ihre Freundschaft sie reich machen wird? Bärenburg hatte recht, von Anfang an hatte er recht in diesem Fall. Und ich war vernagelt. Das einzige, was Sie bewirkt haben durch Ihre Freundschaft, ist, daß sich die junge Frau über ihre Armut klar geworden ist. Wissen Sie, wie Sie mir vorkommen, Swoyschin? Wie die gewissen grausamen Volksbeglücker, die durch ihre thöricht verfrühten Bildungsversuche dem Volk die Fähigkeit abgewöhnen, sich in seinen kleinen Verhältnissen wohl zu fühlen![“] „Die arme Swoboda ist vielleicht zu gut für ihre Stellung. Sei’s darum! Immerhin hatte sie sich an die dumpfe Luft, in der ihre Existenz sich abspann, gewöhnt, hatte sich gewöhnt, ihr Leben hinter trüben Fensterscheiben abzuwerkeln, aus denen es keinen Ausblick gab. Sie haben die Fensterscheiben für sie gesäubert, so daß sie einen Ausblick in die große, sich draußen ausbreitende Weltschönheit gewonnen hat. Geöffnet aber haben Sie das Fenster für sie nicht. Und jetzt ist sie wie ein armer, gefangener Vogel, der die Grenzen seiner Gefangenschaft nicht begreift und sich gegen das Glas, das er nicht sieht, den Kopf wundstößt!“ Der Oberst hielt inne – der Adjutant sah düster vor sich hin. „Etwas Wahres ist wohl an dem, was Sie sagen, Herr Oberst,“ murmelte er, „ich muß zugeben, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0053" n="52"/> <p>„Und glauben Sie, um mit Bärenburg zu reden, daß Ihre Freundschaft sie reich machen wird? Bärenburg hatte recht, von Anfang an hatte er recht in diesem Fall. Und ich war vernagelt. Das einzige, was Sie bewirkt haben durch Ihre Freundschaft, ist, daß sich die junge Frau über ihre Armut klar geworden ist. Wissen Sie, wie Sie mir vorkommen, Swoyschin? Wie die gewissen grausamen Volksbeglücker, die durch ihre thöricht verfrühten Bildungsversuche dem Volk die Fähigkeit abgewöhnen, sich in seinen kleinen Verhältnissen wohl zu fühlen!<supplied>“</supplied></p> <p>„Die arme Swoboda ist vielleicht zu gut für ihre Stellung. Sei’s darum! Immerhin hatte sie sich an die dumpfe Luft, in der ihre Existenz sich abspann, gewöhnt, hatte sich gewöhnt, ihr Leben hinter trüben Fensterscheiben abzuwerkeln, aus denen es keinen Ausblick gab. Sie haben die Fensterscheiben für sie gesäubert, so daß sie einen Ausblick in die große, sich draußen ausbreitende Weltschönheit gewonnen hat. Geöffnet aber haben Sie das Fenster für sie nicht. Und jetzt ist sie wie ein armer, gefangener Vogel, der die Grenzen seiner Gefangenschaft nicht begreift und sich gegen das Glas, das er nicht sieht, den Kopf wundstößt!“</p> <p>Der Oberst hielt inne – der Adjutant sah düster vor sich hin. „Etwas Wahres ist wohl an dem, was Sie sagen, Herr Oberst,“ murmelte er, „ich muß zugeben, </p> </div> </body> </text> </TEI> [52/0053]
„Und glauben Sie, um mit Bärenburg zu reden, daß Ihre Freundschaft sie reich machen wird? Bärenburg hatte recht, von Anfang an hatte er recht in diesem Fall. Und ich war vernagelt. Das einzige, was Sie bewirkt haben durch Ihre Freundschaft, ist, daß sich die junge Frau über ihre Armut klar geworden ist. Wissen Sie, wie Sie mir vorkommen, Swoyschin? Wie die gewissen grausamen Volksbeglücker, die durch ihre thöricht verfrühten Bildungsversuche dem Volk die Fähigkeit abgewöhnen, sich in seinen kleinen Verhältnissen wohl zu fühlen!“
„Die arme Swoboda ist vielleicht zu gut für ihre Stellung. Sei’s darum! Immerhin hatte sie sich an die dumpfe Luft, in der ihre Existenz sich abspann, gewöhnt, hatte sich gewöhnt, ihr Leben hinter trüben Fensterscheiben abzuwerkeln, aus denen es keinen Ausblick gab. Sie haben die Fensterscheiben für sie gesäubert, so daß sie einen Ausblick in die große, sich draußen ausbreitende Weltschönheit gewonnen hat. Geöffnet aber haben Sie das Fenster für sie nicht. Und jetzt ist sie wie ein armer, gefangener Vogel, der die Grenzen seiner Gefangenschaft nicht begreift und sich gegen das Glas, das er nicht sieht, den Kopf wundstößt!“
Der Oberst hielt inne – der Adjutant sah düster vor sich hin. „Etwas Wahres ist wohl an dem, was Sie sagen, Herr Oberst,“ murmelte er, „ich muß zugeben,
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Zitationshilfe: | Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber01_1899/53>, abgerufen am 01.03.2025. |