Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899.modulierte er mit den ergreifendsten Mollaccorden in einen Trauermarsch hinüber, dann sich seinem Publikum zuwendend, schleuderte er ihm die Worte zu: "L'homme fatal! Gedichtet von einer geknickten Lilie." Worauf er anfing, eine uralte Pariser Bänkelsängerballade zu gröhlen, mit der ihn einmal seine Base Nita Sankjewitsch bekannt gemacht hatte. Der Refrain der Ballade lautete: "Ne m'aime pas, infortunee, car mon amour donne la mort!" und der letzte Vers ging folgendermaßen: "Arthur etait au cimetiere, Les yeux fixes sur un tombeau, Ses larmes tombaient sur la pierre, Son visage etait pale et beau. Il dit: Adieu, infortunee, En m'aimant, tu subis ton sort, Tu n'as pu fuir ta destinee, Car mon amour donne la mort!" Die gezierte Sentimentalität, mit der er diese Elegie zum besten gab, spottete jeder Beschreibung. Alles, was im Salon französisch kannte, wand sich in Lachkrämpfen. Swoyschin trat aus dem Rauchzimmer, um zu sehen, worum sich der Spektakel handle. "Was Sie wieder für ein Gesicht machen, Graf Swoyschin!" redete ihn die Hausfrau an. "Wissen Sie, gerade so, als ob Sie in der Romanze des Grafen Bärenburg eine Anspielung witterten! Ha! ha! ha!" modulierte er mit den ergreifendsten Mollaccorden in einen Trauermarsch hinüber, dann sich seinem Publikum zuwendend, schleuderte er ihm die Worte zu: „L’homme fatal! Gedichtet von einer geknickten Lilie.“ Worauf er anfing, eine uralte Pariser Bänkelsängerballade zu gröhlen, mit der ihn einmal seine Base Nita Sankjewitsch bekannt gemacht hatte. Der Refrain der Ballade lautete: „Ne m’aime pas, infortunée, car mon amour donne la mort!“ und der letzte Vers ging folgendermaßen: „Arthur était au cimetière, Les yeux fixés sur un tombeau, Ses larmes tombaient sur la pierre, Son visage était pâle et beau. Il dit: Adieu, infortunée, En m’aimant, tu subis ton sort, Tu n’as pu fuir ta destinée, Car mon amour donne la mort!“ Die gezierte Sentimentalität, mit der er diese Elegie zum besten gab, spottete jeder Beschreibung. Alles, was im Salon französisch kannte, wand sich in Lachkrämpfen. Swoyschin trat aus dem Rauchzimmer, um zu sehen, worum sich der Spektakel handle. „Was Sie wieder für ein Gesicht machen, Graf Swoyschin!“ redete ihn die Hausfrau an. „Wissen Sie, gerade so, als ob Sie in der Romanze des Grafen Bärenburg eine Anspielung witterten! Ha! ha! ha!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0037" n="36"/> modulierte er mit den ergreifendsten Mollaccorden in einen Trauermarsch hinüber, dann sich seinem Publikum zuwendend, schleuderte er ihm die Worte zu:</p> <p>„<hi rendition="#aq">L’homme fatal</hi>! Gedichtet von einer geknickten Lilie.“ Worauf er anfing, eine uralte Pariser Bänkelsängerballade zu gröhlen, mit der ihn einmal seine Base Nita Sankjewitsch bekannt gemacht hatte.</p> <p>Der Refrain der Ballade lautete: „<hi rendition="#aq">Ne m’aime pas, infortunée, car mon amour donne la mort!</hi>“ und der letzte Vers ging folgendermaßen:</p> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#aq">„Arthur était au cimetière,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Les yeux fixés sur un tombeau,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Ses larmes tombaient sur la pierre,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Son visage était pâle et beau.</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Il dit: Adieu, infortunée,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">En m’aimant, tu subis ton sort,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Tu n’as pu fuir ta destinée,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#aq">Car mon amour donne la mort!“</hi> </l><lb/> </lg> <p>Die gezierte Sentimentalität, mit der er diese Elegie zum besten gab, spottete jeder Beschreibung. Alles, was im Salon französisch kannte, wand sich in Lachkrämpfen.</p> <p>Swoyschin trat aus dem Rauchzimmer, um zu sehen, worum sich der Spektakel handle.</p> <p>„Was Sie wieder für ein Gesicht machen, Graf Swoyschin!“ redete ihn die Hausfrau an. „Wissen Sie, gerade so, als ob Sie in der Romanze des Grafen Bärenburg eine Anspielung witterten! Ha! ha! ha!“</p> </div> </body> </text> </TEI> [36/0037]
modulierte er mit den ergreifendsten Mollaccorden in einen Trauermarsch hinüber, dann sich seinem Publikum zuwendend, schleuderte er ihm die Worte zu:
„L’homme fatal! Gedichtet von einer geknickten Lilie.“ Worauf er anfing, eine uralte Pariser Bänkelsängerballade zu gröhlen, mit der ihn einmal seine Base Nita Sankjewitsch bekannt gemacht hatte.
Der Refrain der Ballade lautete: „Ne m’aime pas, infortunée, car mon amour donne la mort!“ und der letzte Vers ging folgendermaßen:
„Arthur était au cimetière,
Les yeux fixés sur un tombeau,
Ses larmes tombaient sur la pierre,
Son visage était pâle et beau.
Il dit: Adieu, infortunée,
En m’aimant, tu subis ton sort,
Tu n’as pu fuir ta destinée,
Car mon amour donne la mort!“
Die gezierte Sentimentalität, mit der er diese Elegie zum besten gab, spottete jeder Beschreibung. Alles, was im Salon französisch kannte, wand sich in Lachkrämpfen.
Swoyschin trat aus dem Rauchzimmer, um zu sehen, worum sich der Spektakel handle.
„Was Sie wieder für ein Gesicht machen, Graf Swoyschin!“ redete ihn die Hausfrau an. „Wissen Sie, gerade so, als ob Sie in der Romanze des Grafen Bärenburg eine Anspielung witterten! Ha! ha! ha!“
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Zitationshilfe: | Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber01_1899/37>, abgerufen am 16.02.2025. |