Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899."Vielleicht ... ein wenig," gestand Swoyschin, - "aber ... Sie dürfen nicht fürchten, daß ich irgendwie daran dachte, auf Ihre Nachsicht zu sündigen oder Ihr Wohlwollen auszunützen." "Hüten Sie sich!" Der Oberst drohte ihm mit dem Finger. "Sie werden keine überschüssige Nachsicht finden. Im Gegenteil, - ich nehme mir vor, sehr streng gegen Sie zu sein, so streng, wie vernünftige Väter nur gegen die Söhne sind, von denen sie viel halten und infolgedessen viel verlangen können." Sie lachten beide - sie waren sehr zufrieden miteinander. Das Gespärch nahm einen immer vertraulicheren Charakter an. Es schien Swoyschin Vergnügen zu machen, ungeniert von seinen Verhältnissen reden zu können. Sein Vater lebte noch, war aber seit zehn Jahren gelähmt. Zdenko war der zweite Sohn. Der Älteste, dem nach des Vaters Ableben das Majorat zufallen sollte, war ein Verschwender. Kaum hatte Swoyschin das harte Wort fallen lassen, so nahm er es schon wieder zurück. Er schien sehr an dem Bruder zu hängen, verteidigte ihn gegen seine harte Anschuldigung. Verschwender war nicht das richtige Wort - Konrad war eigentlich kein Verschwender, er brauchte für sich verhältnismäßig wenig, hatte nur ein zu gutes Herz, und - die Mama konnte nicht sparen. Ach, das Sparen sei eine so schauderhaft unästhetische „Vielleicht … ein wenig,“ gestand Swoyschin, – „aber … Sie dürfen nicht fürchten, daß ich irgendwie daran dachte, auf Ihre Nachsicht zu sündigen oder Ihr Wohlwollen auszunützen.“ „Hüten Sie sich!“ Der Oberst drohte ihm mit dem Finger. „Sie werden keine überschüssige Nachsicht finden. Im Gegenteil, – ich nehme mir vor, sehr streng gegen Sie zu sein, so streng, wie vernünftige Väter nur gegen die Söhne sind, von denen sie viel halten und infolgedessen viel verlangen können.“ Sie lachten beide – sie waren sehr zufrieden miteinander. Das Gespärch nahm einen immer vertraulicheren Charakter an. Es schien Swoyschin Vergnügen zu machen, ungeniert von seinen Verhältnissen reden zu können. Sein Vater lebte noch, war aber seit zehn Jahren gelähmt. Zdenko war der zweite Sohn. Der Älteste, dem nach des Vaters Ableben das Majorat zufallen sollte, war ein Verschwender. Kaum hatte Swoyschin das harte Wort fallen lassen, so nahm er es schon wieder zurück. Er schien sehr an dem Bruder zu hängen, verteidigte ihn gegen seine harte Anschuldigung. Verschwender war nicht das richtige Wort – Konrad war eigentlich kein Verschwender, er brauchte für sich verhältnismäßig wenig, hatte nur ein zu gutes Herz, und – die Mama konnte nicht sparen. Ach, das Sparen sei eine so schauderhaft unästhetische <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0022" n="21"/> <p>„Vielleicht … ein wenig,“ gestand Swoyschin, – „aber … Sie dürfen nicht fürchten, daß ich irgendwie daran dachte, auf Ihre Nachsicht zu sündigen oder Ihr Wohlwollen auszunützen.“</p> <p>„Hüten Sie sich!“ Der Oberst drohte ihm mit dem Finger. „Sie werden keine überschüssige Nachsicht finden. Im Gegenteil, – ich nehme mir vor, sehr streng gegen Sie zu sein, so streng, wie vernünftige Väter nur gegen die Söhne sind, von denen sie viel halten und infolgedessen viel verlangen können.“</p> <p>Sie lachten beide – sie waren sehr zufrieden miteinander. Das Gespärch nahm einen immer vertraulicheren Charakter an. Es schien Swoyschin Vergnügen zu machen, ungeniert von seinen Verhältnissen reden zu können. Sein Vater lebte noch, war aber seit zehn Jahren gelähmt. Zdenko war der zweite Sohn. Der Älteste, dem nach des Vaters Ableben das Majorat zufallen sollte, war ein Verschwender. Kaum hatte Swoyschin das harte Wort fallen lassen, so nahm er es schon wieder zurück. Er schien sehr an dem Bruder zu hängen, verteidigte ihn gegen seine harte Anschuldigung.</p> <p>Verschwender war nicht das richtige Wort – Konrad war eigentlich kein Verschwender, er brauchte für sich verhältnismäßig wenig, hatte nur ein zu gutes Herz, und – die Mama konnte nicht sparen. Ach, das Sparen sei eine so schauderhaft unästhetische </p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0022]
„Vielleicht … ein wenig,“ gestand Swoyschin, – „aber … Sie dürfen nicht fürchten, daß ich irgendwie daran dachte, auf Ihre Nachsicht zu sündigen oder Ihr Wohlwollen auszunützen.“
„Hüten Sie sich!“ Der Oberst drohte ihm mit dem Finger. „Sie werden keine überschüssige Nachsicht finden. Im Gegenteil, – ich nehme mir vor, sehr streng gegen Sie zu sein, so streng, wie vernünftige Väter nur gegen die Söhne sind, von denen sie viel halten und infolgedessen viel verlangen können.“
Sie lachten beide – sie waren sehr zufrieden miteinander. Das Gespärch nahm einen immer vertraulicheren Charakter an. Es schien Swoyschin Vergnügen zu machen, ungeniert von seinen Verhältnissen reden zu können. Sein Vater lebte noch, war aber seit zehn Jahren gelähmt. Zdenko war der zweite Sohn. Der Älteste, dem nach des Vaters Ableben das Majorat zufallen sollte, war ein Verschwender. Kaum hatte Swoyschin das harte Wort fallen lassen, so nahm er es schon wieder zurück. Er schien sehr an dem Bruder zu hängen, verteidigte ihn gegen seine harte Anschuldigung.
Verschwender war nicht das richtige Wort – Konrad war eigentlich kein Verschwender, er brauchte für sich verhältnismäßig wenig, hatte nur ein zu gutes Herz, und – die Mama konnte nicht sparen. Ach, das Sparen sei eine so schauderhaft unästhetische
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Zitationshilfe: | Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber01_1899/22>, abgerufen am 02.03.2025. |