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Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887.

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"Ja, was haben Sie ... erklären Sie sich, Madame," fragt die Nonne. -

Mehrere Thüren öffnen sich, mehrere weiße Gestalten treten in den Corridor ... "was gibts, ja, was gibts? -"

Aber Julie spricht kein Wort; wie durch einen bösen Zauber verstummt, steht sie da, todtenblaß, mit großen verzweifelnden Augen. - Da erblickt sie die Laienschwester. Sie athmet auf - stürzt auf sie zu, die wird sie verstehen. Sie schleppt die Worte an die Lippen. "Liebe ... liebe Schwester," beginnt sie.

Doch kaum hat sie die Lippen geöffnet, so ruft ein spöttisches, glockenhelles Stimmchen neugierig in die aufgeregte Scene hinein: "Was gibts?"

Julie fährt zusammen. In malerisch losem, spitzenbesetztem Neglige, ein kleidsames Häubchen auf dem halb entpuderten Haupt, ist Gabrielle de Rohan neben die Laienschwester getreten und heftet die Augen voll triumphirender Lachlust auf die arme kleine Prinzessin. Ein eisiger Schauer schüttelt Julie - sie senkt den Kopf - die Scham

„Ja, was haben Sie … erklären Sie sich, Madame,“ fragt die Nonne. –

Mehrere Thüren öffnen sich, mehrere weiße Gestalten treten in den Corridor … „was gibts, ja, was gibts? –“

Aber Julie spricht kein Wort; wie durch einen bösen Zauber verstummt, steht sie da, todtenblaß, mit großen verzweifelnden Augen. – Da erblickt sie die Laienschwester. Sie athmet auf – stürzt auf sie zu, die wird sie verstehen. Sie schleppt die Worte an die Lippen. „Liebe … liebe Schwester,“ beginnt sie.

Doch kaum hat sie die Lippen geöffnet, so ruft ein spöttisches, glockenhelles Stimmchen neugierig in die aufgeregte Scene hinein: „Was gibts?“

Julie fährt zusammen. In malerisch losem, spitzenbesetztem Negligé, ein kleidsames Häubchen auf dem halb entpuderten Haupt, ist Gabrielle de Rohan neben die Laienschwester getreten und heftet die Augen voll triumphirender Lachlust auf die arme kleine Prinzessin. Ein eisiger Schauer schüttelt Julie – sie senkt den Kopf – die Scham

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[97/0097] „Ja, was haben Sie … erklären Sie sich, Madame,“ fragt die Nonne. – Mehrere Thüren öffnen sich, mehrere weiße Gestalten treten in den Corridor … „was gibts, ja, was gibts? –“ Aber Julie spricht kein Wort; wie durch einen bösen Zauber verstummt, steht sie da, todtenblaß, mit großen verzweifelnden Augen. – Da erblickt sie die Laienschwester. Sie athmet auf – stürzt auf sie zu, die wird sie verstehen. Sie schleppt die Worte an die Lippen. „Liebe … liebe Schwester,“ beginnt sie. Doch kaum hat sie die Lippen geöffnet, so ruft ein spöttisches, glockenhelles Stimmchen neugierig in die aufgeregte Scene hinein: „Was gibts?“ Julie fährt zusammen. In malerisch losem, spitzenbesetztem Negligé, ein kleidsames Häubchen auf dem halb entpuderten Haupt, ist Gabrielle de Rohan neben die Laienschwester getreten und heftet die Augen voll triumphirender Lachlust auf die arme kleine Prinzessin. Ein eisiger Schauer schüttelt Julie – sie senkt den Kopf – die Scham

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Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_etiquette_1887/97>, abgerufen am 24.11.2024.