Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

",Monsieur!' rief ich - Du weißt, daß ich keinen Bischof als ,Monseigneur' anrede, es hat sich die Rotüre immer viel zu viel in die hohe Geistlichkeit hineingemischt, als daß ich den Herrschaften die Ehre anthäte - ,Monsieur!' sagte ich dann, da sich der alte Herr in Versailles präsentirte, ,um Gotteswillen, stören Sie den Kranken nicht! Wenn Ihnen durchaus darum zu thun ist, sich an einem hübschen, kleinen Sündenregister zu ergötzen, so stelle ich mich Ihnen zur Verfügung, beichte Ihnen meine Sünden, erzähle Ihnen dabei so viel nette Sachen, aber so viel ... daß Sie dergleichen nicht gehört haben, seit Sie Erzbischof sind von Paris.'" Und der Marechal steckt die Hände tief in die Taschen und lacht vor sich hin, bis ihm die Schultern davon zucken.

"Hat der Erzbischof den Antrag angenommen, Marechal?" fragt Letoriere, mitlächelnd aus Höflichkeit.

"Nein, leider nein," bedauert der Herzog, und nachdenklich fährt er fort: "Jetzt ist's vorbei mit Ludwig, dem Vielgeliebten! ... Nun, die Finanzen sind zerrüttet, und die Canaille stirbt

„‚Monsieur!‘ rief ich – Du weißt, daß ich keinen Bischof als ‚Monseigneur‘ anrede, es hat sich die Rotüre immer viel zu viel in die hohe Geistlichkeit hineingemischt, als daß ich den Herrschaften die Ehre anthäte – ‚Monsieur!‘ sagte ich dann, da sich der alte Herr in Versailles präsentirte, ‚um Gotteswillen, stören Sie den Kranken nicht! Wenn Ihnen durchaus darum zu thun ist, sich an einem hübschen, kleinen Sündenregister zu ergötzen, so stelle ich mich Ihnen zur Verfügung, beichte Ihnen meine Sünden, erzähle Ihnen dabei so viel nette Sachen, aber so viel … daß Sie dergleichen nicht gehört haben, seit Sie Erzbischof sind von Paris.‘“ Und der Maréchal steckt die Hände tief in die Taschen und lacht vor sich hin, bis ihm die Schultern davon zucken.

„Hat der Erzbischof den Antrag angenommen, Maréchal?“ fragt Letorière, mitlächelnd aus Höflichkeit.

„Nein, leider nein,“ bedauert der Herzog, und nachdenklich fährt er fort: „Jetzt ist’s vorbei mit Ludwig, dem Vielgeliebten! ... Nun, die Finanzen sind zerrüttet, und die Canaille stirbt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0044" n="44"/>
        <p>&#x201E;&#x201A;Monsieur!&#x2018; rief ich &#x2013; Du weißt, daß ich keinen Bischof als &#x201A;Monseigneur&#x2018; anrede, es hat sich die Rotüre immer viel zu viel in die hohe Geistlichkeit hineingemischt, als daß ich den Herrschaften die Ehre anthäte &#x2013; &#x201A;Monsieur!&#x2018; sagte ich dann, da sich der alte Herr in Versailles präsentirte, &#x201A;um Gotteswillen, stören Sie den Kranken nicht! Wenn Ihnen durchaus darum zu thun ist, sich an einem hübschen, kleinen Sündenregister zu ergötzen, so stelle ich mich Ihnen zur Verfügung, beichte Ihnen <hi rendition="#g">meine</hi> Sünden, erzähle Ihnen dabei so viel nette Sachen, aber so viel &#x2026; daß Sie dergleichen nicht gehört haben, seit Sie Erzbischof sind von Paris.&#x2018;&#x201C; Und der Maréchal steckt die Hände tief in die Taschen und lacht vor sich hin, bis ihm die Schultern davon zucken.</p>
        <p>&#x201E;Hat der Erzbischof den Antrag angenommen, Maréchal?&#x201C; fragt Letorière, mitlächelnd aus Höflichkeit.</p>
        <p>&#x201E;Nein, leider nein,&#x201C; bedauert der Herzog, und nachdenklich fährt er fort: &#x201E;Jetzt ist&#x2019;s vorbei mit Ludwig, dem Vielgeliebten! ... Nun, die Finanzen sind zerrüttet, und die Canaille stirbt
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0044] „‚Monsieur!‘ rief ich – Du weißt, daß ich keinen Bischof als ‚Monseigneur‘ anrede, es hat sich die Rotüre immer viel zu viel in die hohe Geistlichkeit hineingemischt, als daß ich den Herrschaften die Ehre anthäte – ‚Monsieur!‘ sagte ich dann, da sich der alte Herr in Versailles präsentirte, ‚um Gotteswillen, stören Sie den Kranken nicht! Wenn Ihnen durchaus darum zu thun ist, sich an einem hübschen, kleinen Sündenregister zu ergötzen, so stelle ich mich Ihnen zur Verfügung, beichte Ihnen meine Sünden, erzähle Ihnen dabei so viel nette Sachen, aber so viel … daß Sie dergleichen nicht gehört haben, seit Sie Erzbischof sind von Paris.‘“ Und der Maréchal steckt die Hände tief in die Taschen und lacht vor sich hin, bis ihm die Schultern davon zucken. „Hat der Erzbischof den Antrag angenommen, Maréchal?“ fragt Letorière, mitlächelnd aus Höflichkeit. „Nein, leider nein,“ bedauert der Herzog, und nachdenklich fährt er fort: „Jetzt ist’s vorbei mit Ludwig, dem Vielgeliebten! ... Nun, die Finanzen sind zerrüttet, und die Canaille stirbt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Die großen Umlaute ”Ue“ der Vorlage wurden der heutigen Schreibweise ”Ü“ angepasst.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_etiquette_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_etiquette_1887/44
Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_etiquette_1887/44>, abgerufen am 24.11.2024.