Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887.Krankenbett des Königs in Metz, reichten sie doch. Daß es ihr, Jeanne Bequs, der ehemaligen Protegee von Mademoiselle Frederic besser ergehen sollte, als der schönsten, stolzesten Tochter aus dem Hause Nesle - das erwartete sie nicht. Leider war's nicht lange möglich, den Zustand des Königs zu verheimlichen, denn dieser Zustand verschlimmerte sich binnen kurzer Frist. Der kühne und gewissenlose Herzog d'Aiguillon selbst war's, der schließlich der Favoritin den Rath ertheilte, mit ihrem Gebieter und Sklaven so rasch als möglich umzukehren nach Versailles. Immer gleich lenksam, fügte sie sich, brachte den König zurück in den großen, ungemütlichen Palast, den officiellen Wohnsitz des Königthums, wo die Facultät augenblicklich mit allerhand reichlichen Aderlässen an ihm herum experimentirte, ohne viel heraus zu experimentiren, als - immer stärker auftretende Symptome der bösesten Blattern. Kalt, grausam, unabweisbar trat der Sensenritter an das Lager des Fürsten und rief: "Komm', mach' Dich reisefertig!" Aber sich reisefertig zu machen, war keine Krankenbett des Königs in Metz, reichten sie doch. Daß es ihr, Jeanne Bequs, der ehemaligen Protegee von Mademoiselle Frédéric besser ergehen sollte, als der schönsten, stolzesten Tochter aus dem Hause Nesle – das erwartete sie nicht. Leider war’s nicht lange möglich, den Zustand des Königs zu verheimlichen, denn dieser Zustand verschlimmerte sich binnen kurzer Frist. Der kühne und gewissenlose Herzog d’Aiguillon selbst war’s, der schließlich der Favoritin den Rath ertheilte, mit ihrem Gebieter und Sklaven so rasch als möglich umzukehren nach Versailles. Immer gleich lenksam, fügte sie sich, brachte den König zurück in den großen, ungemütlichen Palast, den officiellen Wohnsitz des Königthums, wo die Facultät augenblicklich mit allerhand reichlichen Aderlässen an ihm herum experimentirte, ohne viel heraus zu experimentiren, als – immer stärker auftretende Symptome der bösesten Blattern. Kalt, grausam, unabweisbar trat der Sensenritter an das Lager des Fürsten und rief: „Komm’, mach’ Dich reisefertig!“ Aber sich reisefertig zu machen, war keine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="12"/> Krankenbett des Königs in Metz, reichten sie doch. Daß es ihr, Jeanne Bequs, der ehemaligen Protegee von Mademoiselle Frédéric besser ergehen sollte, als der schönsten, stolzesten Tochter aus dem Hause Nesle – das erwartete sie nicht.</p> <p>Leider war’s nicht lange möglich, den Zustand des Königs zu verheimlichen, denn dieser Zustand verschlimmerte sich binnen kurzer Frist. Der kühne und gewissenlose Herzog d’Aiguillon selbst war’s, der schließlich der Favoritin den Rath ertheilte, mit ihrem Gebieter und Sklaven so rasch als möglich umzukehren nach Versailles. Immer gleich lenksam, fügte sie sich, brachte den König zurück in den großen, ungemütlichen Palast, den officiellen Wohnsitz des Königthums, wo die Facultät augenblicklich mit allerhand reichlichen Aderlässen an ihm herum experimentirte, ohne viel heraus zu experimentiren, als – immer stärker auftretende Symptome der bösesten Blattern.</p> <p>Kalt, grausam, unabweisbar trat der Sensenritter an das Lager des Fürsten und rief: „Komm’, mach’ Dich reisefertig!“</p> <p>Aber sich reisefertig zu machen, war keine </p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0012]
Krankenbett des Königs in Metz, reichten sie doch. Daß es ihr, Jeanne Bequs, der ehemaligen Protegee von Mademoiselle Frédéric besser ergehen sollte, als der schönsten, stolzesten Tochter aus dem Hause Nesle – das erwartete sie nicht.
Leider war’s nicht lange möglich, den Zustand des Königs zu verheimlichen, denn dieser Zustand verschlimmerte sich binnen kurzer Frist. Der kühne und gewissenlose Herzog d’Aiguillon selbst war’s, der schließlich der Favoritin den Rath ertheilte, mit ihrem Gebieter und Sklaven so rasch als möglich umzukehren nach Versailles. Immer gleich lenksam, fügte sie sich, brachte den König zurück in den großen, ungemütlichen Palast, den officiellen Wohnsitz des Königthums, wo die Facultät augenblicklich mit allerhand reichlichen Aderlässen an ihm herum experimentirte, ohne viel heraus zu experimentiren, als – immer stärker auftretende Symptome der bösesten Blattern.
Kalt, grausam, unabweisbar trat der Sensenritter an das Lager des Fürsten und rief: „Komm’, mach’ Dich reisefertig!“
Aber sich reisefertig zu machen, war keine
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Zitationshilfe: | Schubin, Ossip: Etiquette. Eine Rococo-Arabeske. Berlin, 1887, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_etiquette_1887/12>, abgerufen am 16.02.2025. |