Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

täuschend in lieblicher Gestalt, als Gutes und Heil-
bringendes.

Aber was war die Ursache jener babylonischen
Sprachenverwirrung, die Ursache, daß jene Taube,
jener göttliche Geist, der den Völkern die Sprache
gelehrt, zugleich Vogel des Zwistes geworden?

Haranguerbehah, heißt es in der alten Sage,
anfangs ein reiner Ausfluß des göttlichen Urlichts,
als er in seiner Gestalt die Gestalten aller Dinge be-
schlossen, die Prinzipien alles Werdens in sich ver-
schlungen, betete nun sich selber an, sagte zu sich sel-
ber Aham, ich bins, und wurde dadurch Urheber
des Abfalles, der Lüge und des Todes, obgleich in
seinem Namen Sati das S und I noch von dem ersten,
göttlichen Ursprunge zeugen, das T von der Lüge und
dem Tode. Dieser Haranguerbehah, heißt es weiter,
der das Verlangen nach der Figur der ganzen Welt
bezeichnet, (wie Parkorat, der weibliche Verstand:
Gottes Verlangen nach der Welt,) beschloß bey sich
selbst, die ohne Figur und Namen in ihm gelegene
Welt hervor zu ziehen, und als er das ewige Licht
(die Sonne) in sich verschlingen will, entsteht die
Rede, welche, in Namen getheilt, allen Kreaturen ih-
re Benennung giebt, und Ursache der Zeit- und Raum-
verhältnisse, wie der Wissenschaft wird. Auch in an-
dern Sagen erscheint die articulirte Menschensprache
als eine spätere Erfindung, und jener stolze Sinn,
der das ewige Licht in sich verschlingen, Berge auf-
thürmen, sich durch den Bau des Thurmes ewig ma-
chen will, wird dabey in sehr verschiedenen mythischen
Bildern dargestellt.

Selbst

taͤuſchend in lieblicher Geſtalt, als Gutes und Heil-
bringendes.

Aber was war die Urſache jener babyloniſchen
Sprachenverwirrung, die Urſache, daß jene Taube,
jener goͤttliche Geiſt, der den Voͤlkern die Sprache
gelehrt, zugleich Vogel des Zwiſtes geworden?

Haranguerbehah, heißt es in der alten Sage,
anfangs ein reiner Ausfluß des goͤttlichen Urlichts,
als er in ſeiner Geſtalt die Geſtalten aller Dinge be-
ſchloſſen, die Prinzipien alles Werdens in ſich ver-
ſchlungen, betete nun ſich ſelber an, ſagte zu ſich ſel-
ber Aham, ich bins, und wurde dadurch Urheber
des Abfalles, der Luͤge und des Todes, obgleich in
ſeinem Namen Sati das S und I noch von dem erſten,
goͤttlichen Urſprunge zeugen, das T von der Luͤge und
dem Tode. Dieſer Haranguerbehah, heißt es weiter,
der das Verlangen nach der Figur der ganzen Welt
bezeichnet, (wie Parkorat, der weibliche Verſtand:
Gottes Verlangen nach der Welt,) beſchloß bey ſich
ſelbſt, die ohne Figur und Namen in ihm gelegene
Welt hervor zu ziehen, und als er das ewige Licht
(die Sonne) in ſich verſchlingen will, entſteht die
Rede, welche, in Namen getheilt, allen Kreaturen ih-
re Benennung giebt, und Urſache der Zeit- und Raum-
verhaͤltniſſe, wie der Wiſſenſchaft wird. Auch in an-
dern Sagen erſcheint die articulirte Menſchenſprache
als eine ſpaͤtere Erfindung, und jener ſtolze Sinn,
der das ewige Licht in ſich verſchlingen, Berge auf-
thuͤrmen, ſich durch den Bau des Thurmes ewig ma-
chen will, wird dabey in ſehr verſchiedenen mythiſchen
Bildern dargeſtellt.

Selbſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="82"/>
ta&#x0364;u&#x017F;chend in lieblicher Ge&#x017F;talt, als Gutes und Heil-<lb/>
bringendes.</p><lb/>
        <p>Aber was war die Ur&#x017F;ache jener babyloni&#x017F;chen<lb/>
Sprachenverwirrung, die Ur&#x017F;ache, daß jene Taube,<lb/>
jener go&#x0364;ttliche Gei&#x017F;t, der den Vo&#x0364;lkern die Sprache<lb/>
gelehrt, zugleich Vogel des Zwi&#x017F;tes geworden?</p><lb/>
        <p>Haranguerbehah, heißt es in der alten Sage,<lb/>
anfangs ein reiner Ausfluß des go&#x0364;ttlichen Urlichts,<lb/>
als er in &#x017F;einer Ge&#x017F;talt die Ge&#x017F;talten aller Dinge be-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, die Prinzipien alles Werdens in &#x017F;ich ver-<lb/>
&#x017F;chlungen, betete nun &#x017F;ich &#x017F;elber an, &#x017F;agte zu &#x017F;ich &#x017F;el-<lb/>
ber <hi rendition="#aq">Aham,</hi> ich bins, und wurde dadurch Urheber<lb/>
des Abfalles, der Lu&#x0364;ge und des Todes, obgleich in<lb/>
&#x017F;einem Namen <hi rendition="#aq">Sati</hi> das <hi rendition="#aq">S</hi> und <hi rendition="#aq">I</hi> noch von dem er&#x017F;ten,<lb/>
go&#x0364;ttlichen Ur&#x017F;prunge zeugen, das <hi rendition="#aq">T</hi> von der Lu&#x0364;ge und<lb/>
dem Tode. Die&#x017F;er Haranguerbehah, heißt es weiter,<lb/>
der das Verlangen nach der Figur der ganzen Welt<lb/>
bezeichnet, (wie Parkorat, der weibliche Ver&#x017F;tand:<lb/>
Gottes Verlangen nach der Welt,) be&#x017F;chloß bey &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, die ohne Figur und Namen in ihm gelegene<lb/>
Welt hervor zu ziehen, und als er das ewige Licht<lb/>
(die Sonne) in &#x017F;ich ver&#x017F;chlingen will, ent&#x017F;teht die<lb/>
Rede, welche, in Namen getheilt, allen Kreaturen ih-<lb/>
re Benennung giebt, und Ur&#x017F;ache der Zeit- und Raum-<lb/>
verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, wie der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft wird. Auch in an-<lb/>
dern Sagen er&#x017F;cheint die articulirte Men&#x017F;chen&#x017F;prache<lb/>
als eine &#x017F;pa&#x0364;tere Erfindung, und jener &#x017F;tolze Sinn,<lb/>
der das ewige Licht in &#x017F;ich ver&#x017F;chlingen, Berge auf-<lb/>
thu&#x0364;rmen, &#x017F;ich durch den Bau des Thurmes ewig ma-<lb/>
chen will, wird dabey in &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedenen mythi&#x017F;chen<lb/>
Bildern darge&#x017F;tellt.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Selb&#x017F;t</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0092] taͤuſchend in lieblicher Geſtalt, als Gutes und Heil- bringendes. Aber was war die Urſache jener babyloniſchen Sprachenverwirrung, die Urſache, daß jene Taube, jener goͤttliche Geiſt, der den Voͤlkern die Sprache gelehrt, zugleich Vogel des Zwiſtes geworden? Haranguerbehah, heißt es in der alten Sage, anfangs ein reiner Ausfluß des goͤttlichen Urlichts, als er in ſeiner Geſtalt die Geſtalten aller Dinge be- ſchloſſen, die Prinzipien alles Werdens in ſich ver- ſchlungen, betete nun ſich ſelber an, ſagte zu ſich ſel- ber Aham, ich bins, und wurde dadurch Urheber des Abfalles, der Luͤge und des Todes, obgleich in ſeinem Namen Sati das S und I noch von dem erſten, goͤttlichen Urſprunge zeugen, das T von der Luͤge und dem Tode. Dieſer Haranguerbehah, heißt es weiter, der das Verlangen nach der Figur der ganzen Welt bezeichnet, (wie Parkorat, der weibliche Verſtand: Gottes Verlangen nach der Welt,) beſchloß bey ſich ſelbſt, die ohne Figur und Namen in ihm gelegene Welt hervor zu ziehen, und als er das ewige Licht (die Sonne) in ſich verſchlingen will, entſteht die Rede, welche, in Namen getheilt, allen Kreaturen ih- re Benennung giebt, und Urſache der Zeit- und Raum- verhaͤltniſſe, wie der Wiſſenſchaft wird. Auch in an- dern Sagen erſcheint die articulirte Menſchenſprache als eine ſpaͤtere Erfindung, und jener ſtolze Sinn, der das ewige Licht in ſich verſchlingen, Berge auf- thuͤrmen, ſich durch den Bau des Thurmes ewig ma- chen will, wird dabey in ſehr verſchiedenen mythiſchen Bildern dargeſtellt. Selbſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/92
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/92>, abgerufen am 27.11.2024.