gehen auf dieselbe Weise aus gemeinschaftlicher Quelle hervor, und das Lamm, so wie der Widder, welche öfters Symbole des schaffenden Wortes sind, erscheinen als Bock anfangs als Ausdruck des zeugenden Prin- zips, dann der gröbsten Wollust (auch hier Lamm und Flamme aus Einer Wurzel), oder als Schlange, in ei- ner bald wohlthätigen bald furchtbaren Bedeutung.
Auf eine merkwürdige Weise läßt sich nicht selten noch in der Sprache und im Mythus der Weg deut- lich nachweisen, auf welchem die Worte von der einen Bedeutung in die andere ganz entgegengesetzte überge- gangen sind. Wir wollen auch hier nur einige wenige Beyspiele hervorheben. Die Verwandschaft des Er- kennens und Zeugens ist schon von Franz Baader auf eine merkwürdige Weise dargethan worden. Anch in der Sprache und im Mythus ist die Taube, welche als heiliger Lebensgeist das Lebenswasser der Schöpfung, so wie den erkennenden Menschengeist bewegt, mit dem Vogel Phönix und der Palme gleichbedeutend. Die Palme, so wie die Blume der Nacht am Lebens- quell, oder anderwärts die Eiche, Weinstock, Feigen- baum, wird hierauf zum Baume der Erkenntniß, wel- cher zugleich Baum des Haders ist. Endlich so wird der Baum der Erkenntniß zum Lingam, zum Werk- zeug und Symbol sinnlicher Geschlechtslust. Auf die- selbe Weise wird auch das erkennende Auge (der Brunnen des Lichts, das Wort) auf der einen Seite zur bauenden, schaffenden Hand, auf der andern, zu- gleich mit der Hand, gleichbedeutend mit dem Organ der körperlichen Erzeugung. Das belebende Auge wird nun zugleich tödtend, die Wahrheit zeugende, schwö-
ren-
gehen auf dieſelbe Weiſe aus gemeinſchaftlicher Quelle hervor, und das Lamm, ſo wie der Widder, welche oͤfters Symbole des ſchaffenden Wortes ſind, erſcheinen als Bock anfangs als Ausdruck des zeugenden Prin- zips, dann der groͤbſten Wolluſt (auch hier Lamm und Flamme aus Einer Wurzel), oder als Schlange, in ei- ner bald wohlthaͤtigen bald furchtbaren Bedeutung.
Auf eine merkwuͤrdige Weiſe laͤßt ſich nicht ſelten noch in der Sprache und im Mythus der Weg deut- lich nachweiſen, auf welchem die Worte von der einen Bedeutung in die andere ganz entgegengeſetzte uͤberge- gangen ſind. Wir wollen auch hier nur einige wenige Beyſpiele hervorheben. Die Verwandſchaft des Er- kennens und Zeugens iſt ſchon von Franz Baader auf eine merkwuͤrdige Weiſe dargethan worden. Anch in der Sprache und im Mythus iſt die Taube, welche als heiliger Lebensgeiſt das Lebenswaſſer der Schoͤpfung, ſo wie den erkennenden Menſchengeiſt bewegt, mit dem Vogel Phoͤnix und der Palme gleichbedeutend. Die Palme, ſo wie die Blume der Nacht am Lebens- quell, oder anderwaͤrts die Eiche, Weinſtock, Feigen- baum, wird hierauf zum Baume der Erkenntniß, wel- cher zugleich Baum des Haders iſt. Endlich ſo wird der Baum der Erkenntniß zum Lingam, zum Werk- zeug und Symbol ſinnlicher Geſchlechtsluſt. Auf die- ſelbe Weiſe wird auch das erkennende Auge (der Brunnen des Lichts, das Wort) auf der einen Seite zur bauenden, ſchaffenden Hand, auf der andern, zu- gleich mit der Hand, gleichbedeutend mit dem Organ der koͤrperlichen Erzeugung. Das belebende Auge wird nun zugleich toͤdtend, die Wahrheit zeugende, ſchwoͤ-
ren-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0090"n="80"/>
gehen auf dieſelbe Weiſe aus gemeinſchaftlicher Quelle<lb/>
hervor, und das Lamm, ſo wie der Widder, welche<lb/>
oͤfters Symbole des ſchaffenden Wortes ſind, erſcheinen<lb/>
als Bock anfangs als Ausdruck des zeugenden Prin-<lb/>
zips, dann der groͤbſten Wolluſt (auch hier Lamm und<lb/>
Flamme aus Einer Wurzel), oder als Schlange, in ei-<lb/>
ner bald wohlthaͤtigen bald furchtbaren Bedeutung.</p><lb/><p>Auf eine merkwuͤrdige Weiſe laͤßt ſich nicht ſelten<lb/>
noch in der Sprache und im Mythus der Weg deut-<lb/>
lich nachweiſen, auf welchem die Worte von der einen<lb/>
Bedeutung in die andere ganz entgegengeſetzte uͤberge-<lb/>
gangen ſind. Wir wollen auch hier nur einige wenige<lb/>
Beyſpiele hervorheben. Die Verwandſchaft des Er-<lb/>
kennens und Zeugens iſt ſchon von Franz Baader auf<lb/>
eine merkwuͤrdige Weiſe dargethan worden. Anch in<lb/>
der Sprache und im Mythus iſt die Taube, welche als<lb/>
heiliger Lebensgeiſt das Lebenswaſſer der Schoͤpfung,<lb/>ſo wie den erkennenden Menſchengeiſt bewegt, mit<lb/>
dem Vogel Phoͤnix und der Palme gleichbedeutend.<lb/>
Die Palme, ſo wie die Blume der Nacht am Lebens-<lb/>
quell, oder anderwaͤrts die Eiche, Weinſtock, Feigen-<lb/>
baum, wird hierauf zum Baume der Erkenntniß, wel-<lb/>
cher zugleich Baum des Haders iſt. Endlich ſo wird<lb/>
der Baum der Erkenntniß zum Lingam, zum Werk-<lb/>
zeug und Symbol ſinnlicher Geſchlechtsluſt. Auf die-<lb/>ſelbe Weiſe wird auch das erkennende Auge (der<lb/>
Brunnen des Lichts, das Wort) auf der einen Seite<lb/>
zur bauenden, ſchaffenden Hand, auf der andern, zu-<lb/>
gleich mit der Hand, gleichbedeutend mit dem Organ<lb/>
der koͤrperlichen Erzeugung. Das belebende Auge wird<lb/>
nun zugleich toͤdtend, die Wahrheit zeugende, ſchwoͤ-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ren-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[80/0090]
gehen auf dieſelbe Weiſe aus gemeinſchaftlicher Quelle
hervor, und das Lamm, ſo wie der Widder, welche
oͤfters Symbole des ſchaffenden Wortes ſind, erſcheinen
als Bock anfangs als Ausdruck des zeugenden Prin-
zips, dann der groͤbſten Wolluſt (auch hier Lamm und
Flamme aus Einer Wurzel), oder als Schlange, in ei-
ner bald wohlthaͤtigen bald furchtbaren Bedeutung.
Auf eine merkwuͤrdige Weiſe laͤßt ſich nicht ſelten
noch in der Sprache und im Mythus der Weg deut-
lich nachweiſen, auf welchem die Worte von der einen
Bedeutung in die andere ganz entgegengeſetzte uͤberge-
gangen ſind. Wir wollen auch hier nur einige wenige
Beyſpiele hervorheben. Die Verwandſchaft des Er-
kennens und Zeugens iſt ſchon von Franz Baader auf
eine merkwuͤrdige Weiſe dargethan worden. Anch in
der Sprache und im Mythus iſt die Taube, welche als
heiliger Lebensgeiſt das Lebenswaſſer der Schoͤpfung,
ſo wie den erkennenden Menſchengeiſt bewegt, mit
dem Vogel Phoͤnix und der Palme gleichbedeutend.
Die Palme, ſo wie die Blume der Nacht am Lebens-
quell, oder anderwaͤrts die Eiche, Weinſtock, Feigen-
baum, wird hierauf zum Baume der Erkenntniß, wel-
cher zugleich Baum des Haders iſt. Endlich ſo wird
der Baum der Erkenntniß zum Lingam, zum Werk-
zeug und Symbol ſinnlicher Geſchlechtsluſt. Auf die-
ſelbe Weiſe wird auch das erkennende Auge (der
Brunnen des Lichts, das Wort) auf der einen Seite
zur bauenden, ſchaffenden Hand, auf der andern, zu-
gleich mit der Hand, gleichbedeutend mit dem Organ
der koͤrperlichen Erzeugung. Das belebende Auge wird
nun zugleich toͤdtend, die Wahrheit zeugende, ſchwoͤ-
ren-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/90>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.