Eben so jener Shiwa Dionichi, welcher nach dem Re- ligionssystem der Inder die zweyte Person der grof- fenbarten Gottheit ist. Dieser muß als sinnlich offen- bar gewordener Gott, das härteste Loos der Sterblich- keit, und den Toy selber erdulden. *) Auch jener Sohn des Gottes der Götter, Zagreus, welchem der ewige Vater den Sitz unmittelbar neben seinem Throne und selbst die Zeichen seiner höchsten Macht verliehen, wird auf grausame Weise von den Titanen getödtet, **) und jener persische Mithras, der als Weltenschöpfer, als Hervorbringer der bunten Mannigfaltigkeit der Dinge und Beschützer und Erhalter verehrt wird, muß als Stier Abudad unter der Hand des Ahriman ster- ben. So hat das Alterthum jene Ansicht von der Menschwerdung des Göttlichen und von dem Loos der Erniedrigung, welches dasselbe in diesem Zustande er- duldet, auf verschiedene Weise, in den mannigfaltigsten buntesten Sagen dargestellt und ausgebildet. Aber an jene Ansicht schloß sich eine andre eben so bedeutungs- volle an. Jener Mensch gewordene Gott erscheinet nicht allein als Richter der Todten, als Herrscher der Unterwelt, sondern als Erretter vom Tode, Befreyer aus den Banden der Sterblichkeit, Führer zurück zu dem göttlichen Ursprunge. Jener Gott, der in den Mysterien bald als Dionysos bald als Persephone ver- sinnlicht wurde, war Schöpfer der Seelen und Lenker ihres Schicksals, als Hades größter Wohlthäter der
von
*) Derselbe, u. a. O.
**) Ebendaselbst, P. 351.
Eben ſo jener Shiwa Dionichi, welcher nach dem Re- ligionsſyſtem der Inder die zweyte Perſon der grof- fenbarten Gottheit iſt. Dieſer muß als ſinnlich offen- bar gewordener Gott, das haͤrteſte Loos der Sterblich- keit, und den Toy ſelber erdulden. *) Auch jener Sohn des Gottes der Goͤtter, Zagreus, welchem der ewige Vater den Sitz unmittelbar neben ſeinem Throne und ſelbſt die Zeichen ſeiner hoͤchſten Macht verliehen, wird auf grauſame Weiſe von den Titanen getoͤdtet, **) und jener perſiſche Mithras, der als Weltenſchoͤpfer, als Hervorbringer der bunten Mannigfaltigkeit der Dinge und Beſchuͤtzer und Erhalter verehrt wird, muß als Stier Abudad unter der Hand des Ahriman ſter- ben. So hat das Alterthum jene Anſicht von der Menſchwerdung des Goͤttlichen und von dem Loos der Erniedrigung, welches daſſelbe in dieſem Zuſtande er- duldet, auf verſchiedene Weiſe, in den mannigfaltigſten bunteſten Sagen dargeſtellt und ausgebildet. Aber an jene Anſicht ſchloß ſich eine andre eben ſo bedeutungs- volle an. Jener Menſch gewordene Gott erſcheinet nicht allein als Richter der Todten, als Herrſcher der Unterwelt, ſondern als Erretter vom Tode, Befreyer aus den Banden der Sterblichkeit, Fuͤhrer zuruͤck zu dem goͤttlichen Urſprunge. Jener Gott, der in den Myſterien bald als Dionyſos bald als Perſephone ver- ſinnlicht wurde, war Schoͤpfer der Seelen und Lenker ihres Schickſals, als Hades groͤßter Wohlthaͤter der
von
*) Derſelbe, u. a. O.
**) Ebendaſelbſt, P. 351.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0057"n="47"/>
Eben ſo jener Shiwa Dionichi, welcher nach dem Re-<lb/>
ligionsſyſtem der Inder die zweyte Perſon der grof-<lb/>
fenbarten Gottheit iſt. Dieſer muß als ſinnlich offen-<lb/>
bar gewordener Gott, das haͤrteſte Loos der Sterblich-<lb/>
keit, und den Toy ſelber erdulden. <noteplace="foot"n="*)">Derſelbe, u. a. O.</note> Auch jener Sohn<lb/>
des Gottes der Goͤtter, Zagreus, welchem der ewige<lb/>
Vater den Sitz unmittelbar neben ſeinem Throne und<lb/>ſelbſt die Zeichen ſeiner hoͤchſten Macht verliehen, wird<lb/>
auf grauſame Weiſe von den Titanen getoͤdtet, <noteplace="foot"n="**)">Ebendaſelbſt, P. 351.</note><lb/>
und jener perſiſche Mithras, der als Weltenſchoͤpfer,<lb/>
als Hervorbringer der bunten Mannigfaltigkeit der<lb/>
Dinge und Beſchuͤtzer und Erhalter verehrt wird, muß<lb/>
als Stier Abudad unter der Hand des Ahriman ſter-<lb/>
ben. So hat das Alterthum jene Anſicht von der<lb/>
Menſchwerdung des Goͤttlichen und von dem Loos der<lb/>
Erniedrigung, welches daſſelbe in dieſem Zuſtande er-<lb/>
duldet, auf verſchiedene Weiſe, in den mannigfaltigſten<lb/>
bunteſten Sagen dargeſtellt und ausgebildet. Aber an<lb/>
jene Anſicht ſchloß ſich eine andre eben ſo bedeutungs-<lb/>
volle an. Jener Menſch gewordene Gott erſcheinet<lb/>
nicht allein als Richter der Todten, als Herrſcher der<lb/>
Unterwelt, ſondern als Erretter vom Tode, Befreyer<lb/>
aus den Banden der Sterblichkeit, Fuͤhrer zuruͤck<lb/>
zu dem goͤttlichen Urſprunge. Jener Gott, der in den<lb/>
Myſterien bald als Dionyſos bald als Perſephone ver-<lb/>ſinnlicht wurde, war Schoͤpfer der Seelen und Lenker<lb/>
ihres Schickſals, als Hades groͤßter Wohlthaͤter der<lb/><fwplace="bottom"type="catch">von</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[47/0057]
Eben ſo jener Shiwa Dionichi, welcher nach dem Re-
ligionsſyſtem der Inder die zweyte Perſon der grof-
fenbarten Gottheit iſt. Dieſer muß als ſinnlich offen-
bar gewordener Gott, das haͤrteſte Loos der Sterblich-
keit, und den Toy ſelber erdulden. *) Auch jener Sohn
des Gottes der Goͤtter, Zagreus, welchem der ewige
Vater den Sitz unmittelbar neben ſeinem Throne und
ſelbſt die Zeichen ſeiner hoͤchſten Macht verliehen, wird
auf grauſame Weiſe von den Titanen getoͤdtet, **)
und jener perſiſche Mithras, der als Weltenſchoͤpfer,
als Hervorbringer der bunten Mannigfaltigkeit der
Dinge und Beſchuͤtzer und Erhalter verehrt wird, muß
als Stier Abudad unter der Hand des Ahriman ſter-
ben. So hat das Alterthum jene Anſicht von der
Menſchwerdung des Goͤttlichen und von dem Loos der
Erniedrigung, welches daſſelbe in dieſem Zuſtande er-
duldet, auf verſchiedene Weiſe, in den mannigfaltigſten
bunteſten Sagen dargeſtellt und ausgebildet. Aber an
jene Anſicht ſchloß ſich eine andre eben ſo bedeutungs-
volle an. Jener Menſch gewordene Gott erſcheinet
nicht allein als Richter der Todten, als Herrſcher der
Unterwelt, ſondern als Erretter vom Tode, Befreyer
aus den Banden der Sterblichkeit, Fuͤhrer zuruͤck
zu dem goͤttlichen Urſprunge. Jener Gott, der in den
Myſterien bald als Dionyſos bald als Perſephone ver-
ſinnlicht wurde, war Schoͤpfer der Seelen und Lenker
ihres Schickſals, als Hades groͤßter Wohlthaͤter der
von
*) Derſelbe, u. a. O.
**) Ebendaſelbſt, P. 351.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/57>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.