für Alle das wichtigste Geschäft des Daseyns und die Schmerzen des Gebährens übernimmt, finden wir nir- gends anders im Thierreich, als in der jüngsten Klasse, in jener der Insecten. Der vollkommene Bienen- weisel tritt als Repräsentant seines ganzen Geschlechts, in ein gleichsam magisches Verhältniß zu diesem, wel- ches bekanntlich nicht ohne ihn zu bestehen, zu leben vermag. In der That ist dieser Weisel nichts anders, als die ursprüngliche und Normalgestalt des Bienen- geschlechts, und die Arbeitsbienen sind bekanntlich nach älteren und den neuesten Untersuchungen nichts anders, als verkümmerte meist unfruchtbare Mutterbienen, unvoll- kommne Weisel. Aus einem gewöhnlichen Ey, ver- mag statt einer Arbeitsbiene ein Weisel zu werden, wenn die ihres Weisels, und selbst der Weiselzeu- genden Eyer beraubten Bienen, die Zelle des Eyes er- weitern und mit überflüssigeren Nahrungsmitteln ver- sorgen. -- So finden wir denn auch hier, wie in der Geisterwelt, jenes geheimnißvolle Verhältniß, wo bloß ein vollkommneres Einzelne den Normalzustand des ganzen Geschlechts erreicht, und diese unvollkommnere Vielheit vertritt, indem es für dieselbe jenes wichtigste Geschäft des thierischen Daseyns übernimmt, zu wel- chem jene Vielen für sich allein untüchtig erscheinen.
Das Insectenreich wird uns noch auf eine andere Weise, Sinnbild des Höheren und Geistigen. Wäh- rend auf der einen Seite sich nirgends solche Bilder der Beschränktheit, des gröberen Bedürfnisses und des Grimmes finden, eines Grimmes gegen dessen Aus- bruch selbst die wechselseitige Liebe der Geschlech- ter und der Mutter gegen die Jungen nicht schü-
tzen,
fuͤr Alle das wichtigſte Geſchaͤft des Daſeyns und die Schmerzen des Gebaͤhrens uͤbernimmt, finden wir nir- gends anders im Thierreich, als in der juͤngſten Klaſſe, in jener der Inſecten. Der vollkommene Bienen- weiſel tritt als Repraͤſentant ſeines ganzen Geſchlechts, in ein gleichſam magiſches Verhaͤltniß zu dieſem, wel- ches bekanntlich nicht ohne ihn zu beſtehen, zu leben vermag. In der That iſt dieſer Weiſel nichts anders, als die urſpruͤngliche und Normalgeſtalt des Bienen- geſchlechts, und die Arbeitsbienen ſind bekanntlich nach aͤlteren und den neueſten Unterſuchungen nichts anders, als verkuͤmmerte meiſt unfruchtbare Mutterbienen, unvoll- kommne Weiſel. Aus einem gewoͤhnlichen Ey, ver- mag ſtatt einer Arbeitsbiene ein Weiſel zu werden, wenn die ihres Weiſels, und ſelbſt der Weiſelzeu- genden Eyer beraubten Bienen, die Zelle des Eyes er- weitern und mit uͤberfluͤſſigeren Nahrungsmitteln ver- ſorgen. — So finden wir denn auch hier, wie in der Geiſterwelt, jenes geheimnißvolle Verhaͤltniß, wo bloß ein vollkommneres Einzelne den Normalzuſtand des ganzen Geſchlechts erreicht, und dieſe unvollkommnere Vielheit vertritt, indem es fuͤr dieſelbe jenes wichtigſte Geſchaͤft des thieriſchen Daſeyns uͤbernimmt, zu wel- chem jene Vielen fuͤr ſich allein untuͤchtig erſcheinen.
Das Inſectenreich wird uns noch auf eine andere Weiſe, Sinnbild des Hoͤheren und Geiſtigen. Waͤh- rend auf der einen Seite ſich nirgends ſolche Bilder der Beſchraͤnktheit, des groͤberen Beduͤrfniſſes und des Grimmes finden, eines Grimmes gegen deſſen Aus- bruch ſelbſt die wechſelſeitige Liebe der Geſchlech- ter und der Mutter gegen die Jungen nicht ſchuͤ-
tzen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0054"n="44"/>
fuͤr Alle das wichtigſte Geſchaͤft des Daſeyns und die<lb/>
Schmerzen des Gebaͤhrens uͤbernimmt, finden wir nir-<lb/>
gends anders im Thierreich, als in der juͤngſten Klaſſe,<lb/>
in jener der Inſecten. Der vollkommene Bienen-<lb/>
weiſel tritt als Repraͤſentant ſeines ganzen Geſchlechts,<lb/>
in ein gleichſam magiſches Verhaͤltniß zu dieſem, wel-<lb/>
ches bekanntlich nicht ohne ihn zu beſtehen, zu leben<lb/>
vermag. In der That iſt dieſer Weiſel nichts anders,<lb/>
als die urſpruͤngliche und Normalgeſtalt des Bienen-<lb/>
geſchlechts, und die Arbeitsbienen ſind bekanntlich nach<lb/>
aͤlteren und den neueſten Unterſuchungen nichts anders, als<lb/>
verkuͤmmerte meiſt unfruchtbare Mutterbienen, unvoll-<lb/>
kommne Weiſel. Aus einem gewoͤhnlichen Ey, ver-<lb/>
mag ſtatt einer Arbeitsbiene ein Weiſel zu werden,<lb/>
wenn die ihres Weiſels, und ſelbſt der Weiſelzeu-<lb/>
genden Eyer beraubten Bienen, die Zelle des Eyes er-<lb/>
weitern und mit uͤberfluͤſſigeren Nahrungsmitteln ver-<lb/>ſorgen. — So finden wir denn auch hier, wie in der<lb/>
Geiſterwelt, jenes geheimnißvolle Verhaͤltniß, wo bloß<lb/><hirendition="#g">ein</hi> vollkommneres Einzelne den Normalzuſtand des<lb/>
ganzen Geſchlechts erreicht, und dieſe unvollkommnere<lb/>
Vielheit vertritt, indem es fuͤr dieſelbe jenes wichtigſte<lb/>
Geſchaͤft des thieriſchen Daſeyns uͤbernimmt, zu wel-<lb/>
chem jene Vielen fuͤr ſich allein untuͤchtig erſcheinen.</p><lb/><p>Das Inſectenreich wird uns noch auf eine andere<lb/>
Weiſe, Sinnbild des Hoͤheren und Geiſtigen. Waͤh-<lb/>
rend auf der einen Seite ſich nirgends ſolche Bilder<lb/>
der Beſchraͤnktheit, des groͤberen Beduͤrfniſſes und des<lb/>
Grimmes finden, eines Grimmes gegen deſſen Aus-<lb/>
bruch ſelbſt die wechſelſeitige Liebe der Geſchlech-<lb/>
ter und der Mutter gegen die Jungen nicht ſchuͤ-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">tzen,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[44/0054]
fuͤr Alle das wichtigſte Geſchaͤft des Daſeyns und die
Schmerzen des Gebaͤhrens uͤbernimmt, finden wir nir-
gends anders im Thierreich, als in der juͤngſten Klaſſe,
in jener der Inſecten. Der vollkommene Bienen-
weiſel tritt als Repraͤſentant ſeines ganzen Geſchlechts,
in ein gleichſam magiſches Verhaͤltniß zu dieſem, wel-
ches bekanntlich nicht ohne ihn zu beſtehen, zu leben
vermag. In der That iſt dieſer Weiſel nichts anders,
als die urſpruͤngliche und Normalgeſtalt des Bienen-
geſchlechts, und die Arbeitsbienen ſind bekanntlich nach
aͤlteren und den neueſten Unterſuchungen nichts anders, als
verkuͤmmerte meiſt unfruchtbare Mutterbienen, unvoll-
kommne Weiſel. Aus einem gewoͤhnlichen Ey, ver-
mag ſtatt einer Arbeitsbiene ein Weiſel zu werden,
wenn die ihres Weiſels, und ſelbſt der Weiſelzeu-
genden Eyer beraubten Bienen, die Zelle des Eyes er-
weitern und mit uͤberfluͤſſigeren Nahrungsmitteln ver-
ſorgen. — So finden wir denn auch hier, wie in der
Geiſterwelt, jenes geheimnißvolle Verhaͤltniß, wo bloß
ein vollkommneres Einzelne den Normalzuſtand des
ganzen Geſchlechts erreicht, und dieſe unvollkommnere
Vielheit vertritt, indem es fuͤr dieſelbe jenes wichtigſte
Geſchaͤft des thieriſchen Daſeyns uͤbernimmt, zu wel-
chem jene Vielen fuͤr ſich allein untuͤchtig erſcheinen.
Das Inſectenreich wird uns noch auf eine andere
Weiſe, Sinnbild des Hoͤheren und Geiſtigen. Waͤh-
rend auf der einen Seite ſich nirgends ſolche Bilder
der Beſchraͤnktheit, des groͤberen Beduͤrfniſſes und des
Grimmes finden, eines Grimmes gegen deſſen Aus-
bruch ſelbſt die wechſelſeitige Liebe der Geſchlech-
ter und der Mutter gegen die Jungen nicht ſchuͤ-
tzen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/54>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.